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Sherlocks Spürnasen

Sherlocks Spürnasen: Cover

Was meine Einleitungen angeht, muss ich wohl als Serientäter gelten. Oder als Serienuntäter?

Wie geht SHERLOCKS SPÜRNASEN? Wir sind Sherlocks Spürnasen, ein Ermittlerteam bestehend aus Maus, Meise, Vogelspinne und Frosch. Kooperativ lösen wir sechs Kriminalfälle plus Tutorial.
Pro Fall steht uns eine gewisse Menge an Zeitmarkern zur Verfügung. Jeder Besuch eines Ortes kostet einen davon. Sind die Zeitmarker aufgebraucht, haben wir – Überraschung – nur so halb verloren, denn wir dürfen trotzdem weiter ermitteln, bis wir am Ziel sind.

Sherlocks Spürnasen: Spielplan

Der Spielplan (er hat eine Tag- und eine Nachtseite) zeigt die möglichen Zielorte. Fast immer interagieren wir dort mit anderen Tieren. Wir beobachten Dinge, erhalten Gegenstände, bekommen Informationen. Karten mit Gegenständen oder Informationen und auch unsere Charakterkarten haben Strichcodes, die wir mit den Strichcodes anderer Karten kombinieren können. Zum Beispiel den stets diplomatischen Frosch mit schwierigen Gesprächspartnern oder einen potenziell hilfreichen Gegenstand mit einem Ort. Zeigt sich eine gültige Verbindung, schalten wir weitere Informationen oder Dinge frei.


Sherlocks Spürnasen: Charaktere

Was passiert? Nicht die Auflösungen und erst recht nicht die Mechanismen sind das Besondere an SHERLOCKS SPÜRNASEN. Es ist die Geschichte. Sie wird konsequent aus Tiersicht erzählt. Auch wenn sie vermenschlicht sind, behalten sowohl die vier Held:innen als auch alle Nebencharaktere etliche ihrer tierischen Eigenschaften. Die Welt der Tiere ist eine Parallelwelt zur Menschenwelt. Dadurch ergeben sich schöne Kontraste. Immer wieder kommt es auch zu Überschneidungen, und SHERLOCKS SPÜRNASEN erzählt mit viel Augenzwinkern, wie die Tiere uns wahrnehmen und beurteilen.
Die Geschichte ist witzig, Dialoge und Pointen sitzen. Die Zeichnung der Nebencharaktere ist besonders gelungen. Häsin Beatrix, Eichhörnchen Rosetti, Rabe Nevermore und einige andere begegnen uns immer wieder und nerven oder erfreuen uns mit ihren Marotten. SHERLOCKS SPÜRNASEN erschafft einen charmanten eigenen Kosmos. Jeder Fall ist Teil der übergeordneten Gesamterzählung. Alles entwickelt sich weiter, auch unsere Charaktere wachsen im Laufe der Geschichte an ihren Aufgaben und Erfolgen.

Was taugt es? SHERLOCKS SPÜRNASEN lebt davon, dass jemand in der Gruppe Lust und im Bestfall auch das Talent hat, um laut vorzulesen. Die Texte fesseln, aber sie sind lang. Das Spiel erfordert Zeit und Muße.

Sherlocks Spürnasen: Strichcode

Ich denke nicht, dass ich SHERLOCKS SPÜRNASEN Unrecht tue, wenn ich sage, es ist in erster Linie ein Lese- und Vorlesespiel. Mechanisch gab es das alles schon und auch weitaus raffinierter und mit mehr Rätseln und Knobeleien. In SHERLOCKS SPÜRNASEN sollen wir uns wohlfühlen, wir sollen Erfolg haben. Deshalb sind die naheliegenden Lösungsansätze oft auch die richtigen. Deshalb befinden sich in den Texten sogar Unterstreichungen, damit man das Wichtigste auf keinen Fall überliest. Und deshalb kann man sich während der Fälle auch noch zusätzliche Tipps holen. Trotzdem wären wir im zweiten Fall beinahe ins Straucheln gekommen. Von einer nicht so gelungenen Ortskartenanweisung wurden wir zwischenzeitlich in die Irre geführt.
Im Laufe der Kampagne werden die Fälle immer umfangreicher – und verlieren für mein Empfinden ihre Leichtigkeit. Was mit der niedlichen Mission beginnt, Sherlocks Lieblingsmütze wiederzufinden, bekommt zunehmend ernste und düstere Untertöne und mündet in einen großen Finalkampf gegen einen unheimlichen Endboss. Die einfallsreiche Detektivgeschichte wandelt sich in ein typisches Abenteuer, in dem sich Gut und Böse duellieren.
Nicht die Ernsthaftigkeit als solche stört mich. Es muss ja nicht immer von der heilen Welt erzählt werden. Aber große Finalkämpfe empfinde ich als so herkömmlich und ausgelutscht, dass ich dieses Ende der Kampagne gar nicht als ihren Höhepunkt begreifen kann. Das Originelle, Besondere und Interessante spielt sich für mein Empfinden mehr in den vorderen Teilen der Geschichte ab als im Finale.


**** solide

SHERLOCKS SPÜRNASEN von Dave Neale und Clémentine Beauvais für eine:n bis vier Spieler:innen, Mirakulus.

Foxy

Foxy: Cover

Null.

Wie geht FOXY? FOXY ist ein Gedächtnisspiel. Es enthält 48 großformatige Landschaftskarten. Die zeigen jeweils eine von vier Landschaften: Bauernhof, Wald, Savanne oder Ozean. Und darin eins, zwei oder drei Tiere. Auf dem Bauernhof könnten dies Schwein, Huhn und Katze sein, im Wald Bär, Hase und wieder Katze. Alle Tiere sind einem bestimmten Lebensraum zugeordnet – mit Ausnahme der Katze, die überall sein kann.
Zufällige 19 dieser Karten mischen wir unbesehen zusammen, hinzu kommt die Sonderkarte „Foxy“. Sie bilden einen Stapel, von dem wir nacheinander Karte für Karte aufdecken (und die bisherigen überdecken).
Meine Aufgabe nach jeder Karte: Ich soll notieren, wie viele Tiere der abgebildeten Sorten bislang insgesamt vorkamen. Bei den ersten Karten ist das noch leicht: Wenn es mit Bär, Hase und Katze losgeht, notiere ich eine Drei. Dann kommt der Ozean mit einem Delfin. Eins. Jetzt ein Hase allein im Wald. Zwei. (Denn da war ja schon mal einer.) Savanne mit Giraffe und Katze: wieder die Drei.

Foxy: Karten

Je mehr Karten im Spiel sind, desto unsicherer wird man. Beim vierten Wald weiß ich schon nicht mehr genau, ob jedes Mal ein Hase dabei war. Und wie viele Katzen es gab. Ich fange an zu schätzen – aber ich sollte nicht überschätzen. Meine notierte Zahl bekomme ich als Punkte, falls sie richtig oder zu niedrig ist. Ich gehe leer aus, ist meine Angabe zu hoch.

Was passiert? FOXY ist neben der Merkaufgabe also auch ein bisschen Zock. Ein gutes Bauchgefühl kann Wissenslücken ausbügeln. Wobei Wissen letztlich natürlich besser ist. Wer gewinnen will, muss vollkonzentriert sein und FOXY von der ersten Karte an ernst nehmen. Jede Unaufmerksamkeit bringt mich raus. Ich schwimme, ich rate, ich verliere Punkte.
Am Schluss werten wir alle 20 Karten der Reihe nach aus. Verglichen mit der Gesamtspielzeit ist diese Phase recht lang. Aber das stört bei FOXY gar nicht – denn jetzt ist es spannend: Entsetzen hier („Waaas?! Das war die erste Giraffe?“), Triumph dort („Volltreffer! Fette 18 Punkte!“).

Was taugt es? Die Dramaturgie ist gelungen. Den Auftakt kriegt noch fast jede:r hin, wir starten mit Erfolgserlebnissen. Und während dann bei zunehmender Kartenzahl die Unsicherheit steigt, gehen die immer fetteren Punkte über den Tisch. Man kann im Finale viel gewinnen – und viel verlieren.
Tauchten die Tiere völlig beliebig auf allen Karten auf, wäre es schnell nur noch ein knallharter Inselbegabungstest. Der Trumpf von FOXY ist die Gruppierung der Tiere nach Lebensraum. Dies ist genau die nötige Merkhilfe, um die Tiermengen gedanklich strukturieren zu können und gleichzeitig ein Gefühl für die Mengen zu behalten. (Und die Katze ist das genau richtig dosierte Chaoselement, um das Muster wieder zu durchbrechen.)

Foxy: Auswertung

Wie bei Merkspielen üblich, gibt es Personen, denen das liegt, und andere, denen das weniger liegt. In festen Gruppen weiß man meist vorher, wer überhaupt Siegchancen hat und wer nur um die weiteren Plätze mitspielt. Immer wieder erlebe ich auch, dass Menschen Merkspiele generell ablehnen. Auch FOXY, so sympathisch es daherkommt, lockt solche Spieler:innen nicht zweimal an den Tisch. Was schade ist. Aber nicht der Fehler des Spiels.
Mit 15 Minuten Spieldauer wäre FOXY genau richtig als kleines Spiel, das man überall mitnehmen kann, um es bei Gelegenheit schnell mal auszupacken. Jedoch hat der Verlag (vermutlich weil abwischbare Tableaus und Stifte drin sind und damit es in eine Reihe mit BIRDIE passt) dem Spiel eine übergroße Schachtel gegönnt, die leider so gar nicht in jede Tasche passt.
Viel Neues bietet FOXY von Partie zu Partie nicht, man ist bald nicht mehr so überrascht, es gibt eine Lernkurve. Kinder stören sich an Wiederholungen üblicherweise weniger. Bei Familien mit Kindern könnte ich mir FOXY im Dauereinsatz vorstellen. In Erwachsenenrunden verfliegt der Anfangsreiz von FOXY etwas. Und ausgerechnet die Sonderregeln, die ein bisschen Variation bringen, finde ich nicht ganz so gelungen.
Die „Foxy“-Karte kann auf dreierlei Weise gewertet werden. Ihre Hauptvariante unterläuft die Regel „Doppelt oder nichts“: Einmal pro Partie darf ich eine Zahl einkreisen, und stimmt sie exakt, werden deren Punkte verdoppelt. Mit der „Foxy“-Wertung kann das bisweilen zu einfach werden und dem „Doppelt oder nichts“ seinen Reiz nehmen.
Um aber nicht mit Nörgelei zu enden: FOXY ist ein sehr sympathisches Spiel, das von der Klarheit der Aufgabe und seiner attraktiven Aufmachung lebt. Wenn jemand eine Runde FOXY einschieben möchte, sage ich bestimmt nicht nein.


**** solide

FOXY von David Spada für eine:n bis fünf Spieler:innen, Game Gactory.

Kauri

Kauri: Cover

Wenn ich in Deutschland mittags eine Einleitung schreibe, beginnt kurz danach in Neuseeland ein neuer Tag. Meine Einleitung wäre ruckzuck veraltet. Tückische Umstände also, weshalb ich mir die Mühe diesmal spare.

Wie geht KAURI? KAURI ist ein asymmetrisches Spiel. Jede:r spielt eine andere Fraktion (Kiwi, Possum, Engländer, Maori), und jede dieser Fraktionen hat andere Figuren, andere Ziele und folgt anderen Regeln.
KAURI greift thematisch die Kolonialgeschichte Neuseelands auf. „Der Engländer“ hat das Land zwecks Ausbeutung in Besitz genommen und dabei „das Possum“ eingeschleppt. Das Possum verdrängt „den Kiwi“, der ums Überleben kämpft.
Der Engländer punktet zunächst für jeden Baum, den er fällt. Im Laufe des Spiels wandelt sich aber sein Gewissen. Er fällt bald keine Bäume mehr, sondern macht Jagd auf die Possums. Jedes getötete Possum bringt ihm ebenfalls einen Punkt. Kiwis und Possums punkten pro Exemplar, das es von ihnen bei Spielende (noch) gibt.

Kauri: Situation

Spielt man zu viert, ist außerdem „die Maori“ mit von der Partie, die etwas außerhalb dieses Systems agiert und vor allem für Bauten punktet, die sie im Laufe des Spiels errichtet. Hauptsächlich werden dies „Tempel“ sein. Sie dürfen nur in Gebieten mit Baum, aber ohne Tier errichtet werden. Also tötet auch die Maori Tiere. Beide Arten bringen ihr Punkte.
Jede:r besitzt ein Deck mit neun Karten. Alle Karten zeigen Aktionsmöglichkeiten und eine Zahl. Von meinen drei Handkarten spiele ich pro Zug zwei: eine für die Aktion, die andere für die Initiative. Wer die kleinste Zahl gelegt hat, führt die Aktion der anderen Karte zuerst aus. Das machen wir alle viermal, dann endet ein Durchgang. Alle Kiwis ohne einen Baum in ihrem Gebiet sterben jetzt aus, der Gewissensanzeiger des Engländers rückt vorwärts.

Was passiert? KAURI ist ein aggressives Spiel; für Possum und Kiwi ist es ein Überlebenskampf. Das Possum will sich möglichst stark vermehren und sich überall auf der Insel verteilen, bevorzugt weit entfernt vom Engländer, um in der späteren Phase weniger leicht gejagt werden zu können. Der Engländer besitzt Fähigkeiten, um auf seinem Feld sämtliche Possums zu töten. Also sollten nicht zu viele auf demselben Fleck hocken. Nebenbei räumt das Possum ein paar Bäume weg und macht so dem Kiwi das Leben schwer.
Der Kiwi läuft weg, wo Bäume fallen, forstet Gebiete wieder auf, kann den Gewissensmarker des Engländers voranbewegen und besitzt einmal pro Spiel die mächtigen Sondereffekte „Vulkanausbruch“ und „Tsunami“, mit denen zwei zueinander benachbarte Felder (einmal am Vulkan, einmal an der Küste) in Schutt und Asche gelegt werden.

Kauri: Possum

Anfangs kennt man die Karten und Möglichkeiten der anderen Fraktionen noch nicht so genau und wird von Aktionen überrascht. Natürlich könnte man vorab alle Features aller Fraktionen gemeinsam durchgehen, aber das wird sich dann sowieso kaum jemand merken können. Man ist schon genügend mit den eigenen Aktionen beschäftigt.
Das Hineinfinden in die eigene Rolle wird durch Übersichtsblätter sehr erleichtert. Man kann nach einer gar nicht allzu langen allgemeinen Erklärung losspielen und sagen: „Lest euch durch, was eure Karten können, sobald ihr sie zieht.“ Spielfehler kommen dennoch vor. Nach meiner Erfahrung hauptsächlich deshalb, weil Spieler:innen rein auf die Kartengrafik vertrauen und nicht mehr die Details auf ihrem Übersichtsblatt lesen. Die Voraussetzung, um einen Karteneffekt anwenden zu dürfen, ist auf manchen Karten grafisch hinterlegt, auf vielen anderen inkonsequenterweise nicht. Es steht nur im Text auf dem Übersichtsbogen.

Was taugt es? KAURI sieht toll aus, das Spielmaterial ist herausragend, die Thematik ist mutig gewählt und erscheint überwiegend schlüssig. – Der Wow-Effekt ist üblicherweise groß, denn die meisten Menschen haben etwas Vergleichbares noch nie gespielt. Um zu zeigen, wie originell und vielfältig das Hobby Spiel sein kann, eignet sich KAURI ganz besonders gut.
KAURI ist zudem spannend, viele Partien enden knapp. Und es bleibt auch erst mal spannend, weil ich das Spiel beim nächsten Mal aus einer anderen Perspektive erleben darf. KAURI gewährleistet, dass ich mit den vier Fraktionen vier komplett unterschiedliche Partien spielen kann.

Kauri: Karten

Mit derselben Fraktion sind die Partien dagegen nicht sehr unterschiedlich. Vieles ergibt sich durch meine Rolle und meine Aktionsmöglichkeiten ganz zwangsläufig. Ich folge einem Programm. Ob ich so spielen kann, wie es für mich vorgesehen ist und gut für mich wäre, hängt stark von den Gegebenheiten ab. Zentrale Karten meines Decks hätte ich gern in einer bestimmten Reihenfolge und zu bestimmten Zeitpunkten auf der Hand. Und sie sollten nicht ausgestochen werden, was vorkommen kann, wenn ich sie kombiniert mit einem ungünstigen Initiativwert spielen muss.
Neben Glück entscheiden auch Gnade (Wenn andere Spieler:innen die Wahl haben, wen sie schädigen: Wählen sie dann mich?) und Gruppendenke (Welche Fraktion wird allgemein als die böseste angesehen und kriegt bevorzugt was auf den Deckel?). Manche Aktionen haben durchaus Königsmachercharakter; im Dreierspiel wird das für mein Empfinden besonders deutlich.
Einem Skript zu folgen oder in einem konfrontativen Spiel stark von äußeren Umständen abzuhängen, muss für ein Spiel nicht grundsätzlich negativ sein. Die Kombination aus beidem fühlt sich in KAURI aber letztendlich nicht so gut an. Man kommt sich phasenweise machtlos vor, das Drehbuch erlaubt wenig Abwechslung. Meine Neugierde auf immer weitere Partien ist inzwischen gesunken.


**** solide

KAURI von Charlec Couronnaud für zwei bis vier Spieler:innen, Koalla Spiele / Débâcle Jeux.

Perspectives

Perspectives: Cover

Aus meiner Perspektive sehe ich eine Einleitung.

Wie geht PERSPECTIVES? In PERSPECTIVES rekonstruieren und lösen wir Krimimalgeschichten anhand von Bildern. Jede PERSPEKTIVES-Box enthält drei Fälle. Jeder ist in drei Akte gegliedert (plus einen vierten als Epilog). In jedem der drei ersten Akte kommen zwölf Bildkarten ins Spiel. Die teilen wir reihum unter allen Spieler:innen auf. Jede:r darf und sollte den anderen beschreiben, was auf den eigenen Bildern zu sehen ist. Zeigen dürfen wir uns die Karten nicht. Mit einer Ausnahme: Pro Akt dürfen wir ein Bild für alle sichtbar in die Mitte legen.

Perspectives: Akte

Am Ende des Aktes sollen wir alle Bilder verdeckt beiseite legen und eine Frage beantworten wie „An welchem Tag wurde das Original durch die Fälschung ersetzt?“ oder „Wer reichte Steve das tödliche Getränk?“ sowie jeweils drei weitere Fragen, die wir vorab nicht kennen.

Was passiert? Es wird sehr viel geredet. Muss ja. Je nach Mitteilungsdrang preschen manche Spieler:innen vor und beschreiben haarklein und hintereinanderweg jedes ihrer Bilder. Andere halten sich eher zurück und warten, bis ein Stichwort fällt, zu dem sie etwas beitragen möchten. Manchmal ziehen sie sich die Beschreibungen in die Länge und drehen sich im Kreis, weil die Gruppe der Lösung nicht näherkommt. Mitunter hat man mittlerweile auch längst vergessen, was irgendwer vor vielen Minuten gesagt hat.
Gelegentlich gibt es aber auch ganz tolle Momente: Irgendwer entdeckt auf einer Karte ein Detail, das zunächst nicht so ins Auge gefallen war. Und diese Beobachtung erweist sich als der Schlüssel, um noch mehr solcher Details zu finden, die sich wie ein Puzzle schließlich zu einer perfekten Lösung verbinden. Dann freut man sich, die nötige Geduld gehabt zu haben, während man in anderen Partien vielleicht feststellt, dass man aus Angst vor den drei unbekannten Fragen viel zu lange diskutiert hat, obwohl man längst alles Nötige wusste.
Die zusätzlichen Fragen sind nämlich keine fiesen Querfragen wie „Wie viele Eichhörnchen waren in den Bildern versteckt?“, sondern überwiegend Hinführungen zur Lösung. Es ist sogar vorgekommen, dass wir erst anhand der Zusatzfragen auf die richtige Lösung gekommen sind, während das, was wir uns vorher überlegt hatten, falsch oder zu ungenau gewesen wäre.


Perspectives: Fälle

Was taugt es? Das Konzept der PERSPECTIVES-Reihe gefällt mir gut, und sollte noch eine dritte Box erscheinen, wäre ich gespannt, die Fälle zu spielen. Dass niemand Vollinformation besitzt und es auf jede einzelne Karte ankommen kann, bindet alle am Tisch ein. Eine Partie erfordert Geduld und die Bereitschaft, anderen zuzuhören. Alle Akte eines Falles am Stück zu spielen, kann länger als zwei Stunden dauern und sehr anstrengend werden.
Die einzelnen Geschichten sind in meinen Runden unterschiedlich angekommen. Die Neigung, einen Fall gut zu finden, ist nach meiner Beobachtung signifikant höher, wenn man alle Fragen beantworten konnte. Weshalb ich mir nicht sicher bin, ob es „objektiv“ gelungenere und weniger gelungene Fälle gibt oder ob nicht eher Gruppenzusammensetzung, Tagesform, thematische Vorlieben usw. entscheiden.
Ich war immer dann unzufrieden, wenn ich (selbst bei korrekter Antwort) eine Auflösung unrealistisch und hergeholt fand, wenn mir die Aufgabenstellung nicht präzise genug vorkam und wenn jemand in den Bildern nicht das erkennen konnte, was hätte erkannt werden sollen, weil die Zeichnung an entscheidender Stelle nicht klar genug war.

Perspectives: Karten

So etwas kam in beiden Boxen vor, weshalb ich keine der PERSPECTIVES-Ausgaben klar besser finde als die andere. Am hellblauen PERSPECTIVES gefällt mir, wie die Grafik mit den Themen harmoniert. Etwa ist der im Jahr 1207 in einer Abtei spielende Fall „Der Teufel im Detail“ im Stil von Federkielzeichnungen illustriert. Die blaue Box geht obendrein mehr in Richtung Rätsellösung statt Deduktion; ich empfinde sie als komplexer.


**** solide

PERSPECTIVES von Dave Neale und Matthew Dunstan für zwei bis sechs Spieler:innen, Space Cowboys.

Fischen

Fischen: Cover

Einleitungen sind für mich eine – wie sagt man? – Fischen impossible.

Wie geht FISCHEN? FISCHEN ist ein Stichspiel über acht Runden. Die erste Runde ist völlig konventionell. Wer die höchste Karte der angespielten Farbe legt, gewinnt den Stich. Man bedient, man wirft ab. Trumpf gibt es erst ab Runde zwei.
Alle gewonnenen Karten sammle ich auf meiner Ablage. Jede Karte zählt einen Punkt. Und diese Karten bilden für die Zukunft mein Deck: Ich mische und staple sie und ziehe von oben die benötigten Karten für die nächste Runde. Enthält mein Deck nicht genug Karten, erhalte ich die fehlenden vom vorsortierten „Meeresstapel“. Darin befinden sich höhere Werte, Trümpfe und Sonderkarten. Je weiter wir den Meeresstapel abtragen, desto stärker die Karten.

Fischen: gesammelte Stiche und Deck

Sammle ich nur wenige Stiche und damit nur wenige Punkte, erhalte ich also Karten, die tendenziell besser sind als das, was sich bislang im Spiel befindet. Üblicherweise befähigen mich diese Karten, jetzt deutlich mehr Punkte zu sammeln – allerdings mit dem Haken, dass mein Deck wieder dicker wird und nun andere Spieler:innen Kartengeschenke erhalten und mich bald wieder übertrumpfen werden.

Was passiert? Eine Partie FISCHEN ist ein Auf und Ab aus punkteträchtigen und weniger punkteträchtigen Phasen. Niemand wird abgehängt, niemand eilt davon. Teilweise ist es auch ein Stichvermeidungsspiel. Einen Stich mit lauter Luschen sacke ich trotz billiger Punkte nicht gedankenlos ein, weil ich weiß, dass diese Luschen in mein Deck und damit auch in meine zukünftige Kartenhand wandern.

Fischen: Karten

Das Spielprinzip ist unterhaltsam. Wenn ich Karten nachbekomme, kann ich mich darauf freuen, etwas Besonderes zu ergattern, womit ich die anderen überraschen werde. Allerdings kann es auch Enttäuschungen geben. Da habe ich die Trumpf-Sechs gezogen und denke: „Cool!“ Und dann hat irgendwer tatsächlich die Trumpf-Sieben, und ich bekomme den Stich doch nicht, und die andere Person hat nun Sechs und Sieben im Deck.
Oder ich ziehe gar keinen Trumpf, sondern nur irgendwelche mittelmäßigen Sonderkarten. In meinen Runden wussten mehrere Spieler:innen mit manchen Sonderkarten nicht viel anzufangen. Sie wurden nicht als Verstärkung des Blattes empfunden.
Die Unterhaltsamkeit von FISCHEN bedeutet auch eine gewisse Unplanbarkeit: Ich weiß nicht, welche Karten neu ins Spiel gekommen sind. Ich weiß auch nicht, welche Karten auf den Händen sind und welche noch irgendwo in den Decks schlummern. Zielgerichtetes Spielen wird erschwert. Menschen, die bei Stichspielen gerne alle Karten mitzählen, können das bei FISCHEN nicht.


Fischen: Karten

Was taugt es? Nach meinem Verständnis ist FISCHEN ein Stichspiel, das sein Genre nicht allzu ernst nimmt. Es bricht mit Stichspiel-Prinzipien, indem erstens nur ein Teil aller Karten im Spiel ist und zweitens im Laufe der acht Runden eine Inflationierung stattfindet, die die ursprünglichen Karten immer mehr abwertet.
Das fühlt sich frisch und ungewöhnlich an, ich mag die Idee – dennoch hat sich das Spiel für mich nicht als Dauerbrenner erwiesen. FISCHEN ist nicht Fisch, nicht Fleisch, es ist irgendwas dazwischen. Es ist einerseits nicht so eindeutig ernst: Ich erlebe mich in den Wellenbewegungen und Aufs und Abs mehr als mitgespült und weniger als aus eigener Kraft schwimmend. FISCHEN ist andererseits aber auch nicht so eindeutig lustig, dass ich mich wie in einem Fun-Spiel einfach treiben lassen wollte.
Klar, ein Spiel muss nicht in eine Kategorie passen. Es sollte erst mal so genommen werden, wie es ist. Allerdings: Wenn ich auswähle, was ich spielen möchte, dann geht es um die Frage, was ich mir von dem Spiel verspreche. Welchen Reiz es ausüben soll. Und wenn ich das auch nach mehreren Partien nicht so genau fassen kann, wähle ich das Spiel trotz Originalität eher nicht.


**** solide

FISCHEN von Friedemann Friese für drei bis fünf Spieler:innen, 2F.

Neuland

Neuland: Cover

Kein Neuland an dieser Stelle.

Wie geht NEULAND? Wir wollen unsere Insel-Tableaus so mit Sechseck-Plättchen vollpuzzeln, dass es viele Punkte zählt. Schon zu Beginn habe ich drei Aufträge (ebenfalls in Form von Sechseck-Plättchen), in jeder Partie sind es andere: Etwa soll ich rund um mein Tempel-Sechseck je ein Plättchen Holz, Gold, Haus und Wachturm legen, dann zählt der Tempel sieben Punkte.
Zusätzliche Aufträge darf ich während der Partie wählen, in jedem Zug einen. Auch diese Aufträge erfordern, dass ich bestimmte andere Plättchen ringsum platziere. Aber sie zählen keinen festen Punktwert, sondern werten eine meiner Plättchensorten auf: Jedes Holz zählt dann bei Spielende nicht mehr nur einen Punkt oder jeder Turm nicht mehr nur zwei, sondern mehr. Aufträge, die ich genommen, aber nicht erfüllt habe, zählen Minuspunkte.
Ungewöhnlich ist, wie wir an die erforderlichen Ressourcen- und Gebäudeplättchen herankommen. Dafür gibt es einen gemeinsamen Spielplan, der eine Landfläche zeigt: das Neuland sozusagen, das wir als Wikinger:innen besetzen. Bin ich am Zug, platziere ich eine meiner Figuren auf einem freien Feld, das an ein bereits besetztes Feld angrenzen muss. Ich kassiere die auf dem Feld abgebildete Ressource: Holz, Schaf, Gold oder Axt. Zusätzlich kann ich Gebäudeplättchen erhalten: ein Haus, sofern auf dem Nachbarfeld eins liegt; eine Burg, sofern eine zusammenhängende Gruppe von vier meiner Figuren mit mindestens einer Figur an das Burgplättchen angrenzt; Wachtürme, sofern ich zwei oder mehr Wachtürme mit meinen Figuren verbinde.


Neuland: Spielplan

Was passiert? Das Plättchen-Puzzeln auf dem eigenen Tableau ist ein typischer Mehrpersonen-Solitär-Mechanismus. Der gemeinsame Spielplan aber lässt NEULAND interaktiv und konfrontativ werden. Wo ich meine Figur platziere, wäge ich ab: Was bekomme ich dadurch sofort? Hilft die Figur, Gruppen an Burgen zu bilden oder Türme zu verbinden? Und was ermöglicht sie meinen Mitspieler:innen? Meistens möchte ich vermeiden, dass andere sich sofort neben mich stellen und so meine Gruppenbildungen und Verbindungen behindern.
Generell will ich natürlich viel Beute raffen. Andererseits muss es auch ein bisschen gezielt sein und zur Erledigung meiner Aufträge beitragen. Ähnliches gilt für die Wahl weiterer Auftragsplättchen: Jedes, das ich erledige, bringt einen Gewinn. Aber weil ich auf meiner Insel nicht unendlich viele Plättchen unterbringen kann, wäre es besser, sich auf bestimmte Sammelgebiete zu fokussieren. Etwa indem ich mir viele Schafe hole und gleichzeitig viele Plättchen, die Schafe aufwerten.
NEULAND verlangt effektives Puzzeln. Im Bestfall kann ich mehrere Auftragsplättchen, die allesamt Gold erfordern, um ein zentrales Feld herum anordnen, sodass mir an dieser Stelle ein Gold für all diese Aufträge genügt. Deshalb plane ich viele Züge im Voraus und bin sehr vertieft und konzentriert, damit ich ein Feld, auf dem später zwingend ein Holz liegen muss, tunlichst nicht anderweitig bedecke.
Weil auch die anderen Spieler:innen vertieft und konzentriert sind, können ziemliche Denkzeiten entstehen. Solange sich die Person vor mir nicht entschieden hat, ob sie nach der Beute-Puzzelei ein Auftragsplättchen nehmen und dann vielleicht sogar noch einen Doppelzug machen möchte (was einmal pro Partie möglich ist), muss ich warten.


Neuland: Puzzle

Was taugt es? NEULAND gehört klar zu den empfehlenswerten Spielen des Jahrgangs. In meinen Spielerunden kommt es überdurchschnittlich gut an.
Das Puzzle auf meinem Tableau kann ich gedanklich noch so toll optimieren: Ich muss die benötigten Teile auch bekommen. Was das angeht, ist die Planungssicherheit deutlich geringer. Mitspieler:innen besetzen die angepeilten Ressourcenfelder, unterbrechen meine Verbindungen, kommen mir bei Gebäudeplättchen zuvor oder nehmen Aufträge, die ich haben wollte. Oder … sie tun nichts von alledem. Wer hinter einer unaufmerksamen oder konfliktscheuen Person sitzt, hat Vorteile.
Die Ungewissheit, welche Möglichkeiten sich mir eröffnen und was ich bekomme, machen NEULAND spannend. Das Spielkonzept mit den zwei Schauplätzen finde ich reizvoll. Es fordert mich heraus, ich spiele gerne mit.
Aber bin ich richtig gespannt auf immer weitere Partien? Eher nicht. Eine Partie NEULAND empfinde ich zu wenig als Neuland. Klar, der zentrale Spielplan ist modular und somit jedes Mal anders. Und, ja, meine Anfangsaufträge wechseln auch. Manchmal benötige ich mehr Holz, manchmal mehr Wachtürme. Aber das sind Details, die nichts an meiner generellen Vorgehensweise auf dem Gemeinschaftsspielplan und am Optimieren auf meiner Insel ändern. Alles ist sehr erwartbar und wiederholt sich. Sowohl während einer Partie, als auch partieübergreifend.


**** solide

NEULAND von Charles Chevallier und Laurent Escoffier für zwei bis vier Spieler:innen, Game Factory.

Fairy Ring

Fairy Ring: Cover

Bekanntlich erfüllen Feen ja Wünsche. Doch offenbar hat sich keine meiner Leser:innen eine Einleitung gewünscht. Schade. (Merke ich mir dann auch für die Folgewochen!)

Wie geht FAIRY RING? Wir bauen aus Karten einen Pilzwald. Mit jeder Karte, die ich in meinen Waldabschnitt lege, beginne ich entweder einen weiteren Pilz. Oder ich erhöhe einen Pilz derselben Farbe. Unsere Pilze bilden einen Rundparcours, der mit jedem weiteren Pilz ein Feld länger wird. Und meine gelegte Karte bestimmt ebenso, um wie viele Pilze meine Fee auf diesem Parcours im Uhrzeigersinn weiterfliegt.
Lande ich mit meiner Figur auf einem meiner Pilze, erhalte ich Mana (ein anderes Wort für Punkte). Wie viel, hängt vom jeweiligen Pilz ab. Der gelbe Pilz schüttet so viel Mana aus, wie ich Pilze in meinem Wald habe. Multipliziert mit der Höhe dieses gelben Pilzes. Der rote Pilz bringt Mana entsprechend der Flugweite meiner Fee. Ebenso multipliziert mit der Höhe des Pilzes. Und so weiter.
Lande ich auf einem gegnerischen Pilz, kassiert diese Gegner:in das Manaeinkommen. Besitze ich allerdings einen Pilz derselben Farbe, kassiere ich auch für meinen Pilz, so als ob meine Fee dort gelandet wäre.


Fairy Ring: Situation

Was passiert? Je länger der Parcours wird, desto mehr Schritte benötigt die Fee, um nach einer Umrundung wieder zu meinen Pilzen zurückzukehren. Ich kann also längst nicht jedes Mal in meinem Waldviertel landen. Lande ich anderswo, will ich das gezielt so tun, dass ich mindestens genauso viel, im Bestfall sogar mehr verdiene als die Pilzbesitzer:in. Na gut, notfalls auch ein bisschen weniger, Hauptsache irgendwas. Und wenn das nicht geht, peile ich einen der Pilze an, die nur beim Drüberfliegen Einkommen ausschütten, nicht aber beim Landen. Dann bekommt wenigstens niemand was.
Das kann ich allerdings nur so halb steuern. Erstens ist meine Kartenauswahl limitiert. Wir starten pro Durchgang mit sieben Karten, davon wählen wir eine, geben den Rest an die Nachbar:in weiter. Klassisches Draften also. Und die Pilzfarbe, die ich am liebsten hätte, gewährt mir vielleicht nicht die Zugweite, die mir am besten gefiele.
Zweitens wählen wir zwar alle gleichzeitig, führen die Züge aber nacheinander aus. Bin ich nicht gerade Startspieler, kann es sein, dass der von mir angepeilte vier Felder entfernte Pilz, plötzlich fünf Felder entfernt ist, weil jemand noch einen weiteren Pilz davorgebaut hat. Und mit meinen vier Schritten lande ich dann so gar nicht da, wo ich es gehofft hatte.
Sitze ich hinten, führt diese Ungewissheit dazu, dass ich meine Karten spekulativer wähle. Vielleicht nehme ich gleich eine mit fünf Schritten, weil doch bestimmt irgendwer dazwischenpilzt. Oder gar eine mit sechs?
Noch kniffliger werden die Abwägungen, spielen wir mit Zielkarten. Um viele Extrapunkte zu gewinnen, soll ich jetzt bis Spielende zwei Pilze der Höhe vier bauen oder sieben verschiedene Pilze. Drei Ziele sind gleichzeitig im Spiel. Bei den gerade mal 13 Karten, die mein Pilzwald groß wird, erledigen sich diese Vorhaben nicht nebenbei, sondern nur wenn ich mich darauf konzentriere – und schon gibt es neben der Feenreichweite und der Einkommensstärke meiner Pilze noch ein drittes Kriterium, das ich beachten möchte.


Fairy Ring: Karten

Was taugt es? Bei allem, was es abzuwägen gibt: FAIRY RING ist ein einfaches und schnelles Spiel. Man kann Glück haben, man kann reinfallen. Pläne gehen auf oder leider nicht. Man kann nett oder böse spielen. Manche Spieler:innen gönnen gar nichts. Anderen ist es nicht so wichtig, ob andere mehr verdienen. So kann FAIRY RING durchaus aufgrund von Unachtsamkeit oder Königsmacherei entschieden werden, was angesichts von Spieltiefe und Spieldauer nicht allzu negativ ins Gewicht fällt.
Das Material unterstützt sehr gut den Draftmechanismus für Menschen, denen so etwas zum ersten Mal begegnet. Die Gestaltung ist herzallerliebst. Nur die weitgehend transparenten Feen sind weniger gelungen. Sie werden häufiger verwechselt. Und plane ich versehentlich mit einer Fee, die gar nicht meine ist, kommt selten etwas Gutes dabei heraus.
FAIRY RING ist spannend. Es gibt Erfolgsmomente, es gibt Zockmomente, es gibt Verzockt-Momente. Gemeinsam einen Rundkurs zu bauen und ihn gleichzeitig zu durchlaufen, finde ich originell. FAIRY RING ist ein grundsolides Spiel, bei dem vieles stimmt.
Für „reizvoll“ reicht es am Ende trotzdem nicht ganz. Gemessen an Material- und Regelaufwand sind die Partien arg kurz. Bei mir bleibt da nicht das Gefühl, dass mich beim nächsten Mal etwas anderes erwarten wird, oder dass es da noch etwas gibt, was ich ausprobieren möchte. Sondern es werden dieselben paar Züge sein, in denen ich dasselbe versuche. Gäbe es die Wertung „nett“, ich schriebe „nett“.


**** solide

FAIRY RING von Laurence Grenier und Fabien Tanguy für zwei bis vier Spieler:innen, Repos Production.

Galileo Galilei

Galileo Galilei: Cover

Galileo Galilei soll gesagt haben: „Und sie bewegt sich doch!“ Ich hingegen mache von meinem Recht zu schweigen Gebrauch.

Wie geht GALILEO GALILEI? Wir beobachten Himmelskörper und Konstellationen … wenn man es thematisch ausdrücken will. Spielmechanisch gesehen ähnelt der Vorgang mehr einem Kauf: Für das Beobachten bezahle ich mit Würfelaugen. Ein Himmelskörper benötigt mindestens zwei verschiedenfarbige Würfel, für eine Konstellation genügt eine Würfelfarbe.
Die Würfel in GALILEO GALILEI werden übrigens nie geworfen. Sie sind lediglich Anzeiger, die Werte von eins bis sechs annehmen. Im Grunde verhalten sich die gelben, roten und blauen Würfel wie Geld dreier verschiedener Währungen. Maximal vier Würfel darf ich gleichzeitig besitzen.
Das Beobachten einer Konstellation zählt ein paar Punkte und schaltet mir einen Vorteil frei. Das Beobachten eines Himmelskörpers zählt mehr Punkte und bringt mir außerdem die Karte, auf der der Himmelskörper abgebildet ist. Mit ihr verlängere ich meine „Bibliothek“. Unter diesem Oberbegriff firmieren vier Laufskalen. Mit Buchmarkern will ich dort vorwärtsziehen. Auf den meisten Feldern sind Symbole zu sehen. Bei Erreichen erhalte ich den entsprechenden Vorteil.

Galileo Galilei: Tableau

Aktionen löse ich auf meinem Tableau aus. Dort befindet sich eine Art Rondell mit nur fünf Feldern. Mein Teleskop muss ich um eines bis drei Felder weiterdrehen. Dann führe ich die beiden auf dem erreichten Feld angegebenen Aktionen aus. Eine dieser Aktionen ist fest auf dem Tableau aufgedruckt, sie gehört unveränderlich zu diesem Feld. Ein bewegliches Plättchen zeigt die zweite Aktion. Das Plättchen wird nach Benutzung in einen Reservebereich geschoben, wodurch ein anderes aus diesem Reservebereich wieder ins Rondell rutscht.
Eine der aufgedruckten Aktionen ist dazu da, Plättchen aufzuwerten. Die Rückseiten zeigen jeweils stärkere Versionen der Startaktionen. Ansonsten liefern Aktionen neue Würfel oder werten Würfel um eine oder mehrere Augenzahlen auf. Sie initiieren die Sternbeobachtungen, erlauben Schritte mit den Büchern und so weiter.

Was passiert? GALILEO GELILEI ist ein Wettrennen. Sobald eine bestimmte Menge Sterne wegbeobachtet wurde, geht das Spiel in seine finale Phase. Also muss ich sehr effektiv spielen. Wenn mir eine Aktion erlaubt, alle meine gelben Würfel um zwei Stufen zu erhöhen, bringt es mehr, nicht nur einen, sondern drei gelbe Würfel zu besitzen. Und obwohl ich es generell erstrebenswert finde, meine Plättchen aufzuwerten: In einer späteren Phase des Spiels ist das eher Zeitverschwendung. Jeder einzelne Zug sollte mich maximal voranbringen.

Galileo Galilei: Spielplan

Ein Wettrennen ist das Spiel auch deshalb, weil beobachtete Himmelskörper nun mal weg sind, und ich mir etwas Neues mit meinen Würfeln überlegen muss, falls ich genau denselben Stern auch beobachten wollte. Obendrein liefern wir uns ein Wettrennen, wer bestimmte Zielvorgaben zuerst erreicht.
Aktionen sind oft schnell abgehandelt, GALILEO GALILEI hat einen flotten Spielrhythmus. Ausnahme sind die Situationen, in denen jemand einen Kettenzug ausgelöst hat, der vielleicht noch weitere Kettenzüge auslöst. Dies geschieht meistens durch das Voranschreiten auf den mit Symbolen gespickten Bibliothekspfaden.
GALILEO GELILEI ist insgesamt ein gradliniges Spiel, allerdings gibt es einen gewollten Bruch: die Inquisition. Das Beobachten der wertvolleren Himmelskörper und Konstellationen macht mich verdächtig. Ich erhalte eine Inquisitorfigur, die ich auf dem Startpunkt einer vier Felder langen Laufskala im Keller meines Observatoriums platzieren muss. Die ersten drei Felder sind mies, erst das vierte Feld ist positiv.
Für die Schlusswertung wäre es verheerend, Inquisitoren auf dem ersten Feld stehenzulassen. Allerdings ist auch das Vorwärtsziehen dieser Schergen nicht ungefährlich, denn es löst eine Zwischenwertung meines Kellers aus, und solange noch nicht sehr viele Inquisitoren auf dem letzten Feld angekommen sind, ist diese Wertung negativ. Da man es fast unweigerlich mit der Inquisition zu tun bekommt, braucht man also einen Plan, wie man an die Symbole herankommt, um die unliebsamen Besucher im Keller weiterzuschubsen, und im Bestfall gleich ordentlich viele auf einmal.

Was taugt es? GALILEO GALILEI hat einen interessanten Enginebuilder-Mechanismus. Ich versuche, mein Rondell möglichst effektiv werden zu lassen. Knifflig wird dies vor allem dadurch, dass Aktionsplättchen, die ich besonders häufig nutze, auch besonders häufig in die Reserve rutschen und damit erst mal nicht zur Verfügung stehen.

Galileo Galilei: Universität

Ich rücke auf Skalen vor, ich schalte Wertungen frei, ich bekomme dauernd irgendwelche Belohnungen. GALILEO GALILEI ist ein konstruktives Spiel. Mit Ausnahme der Inquisitoren natürlich. Hier fällt man vielleicht in der ersten Partie herein, weil man die mögliche Negativ-Spirale unterschätzt. Auf Dauer konnte ich in diesem Mechanismus jedoch keinen Zusatzreiz erkennen. Inquisitoren sind ein Faktor, den man einkalkulieren muss. Aber ab der zweiten Partie kalkuliert man ihn ein und kommt meistens auch damit zurecht.
Grafisch erzählt das Spiel eine tolle Geschichte mit Teleskopen, Sternen, Gelehrten und einer Universität. Die Mechanismen lösen das nicht ein. Wir geben Würfel ab, um Sterne zu bekommen, und dann sind sie nicht mehr am Firmament. Es fühlt sich an wie eine Shoppingtour. Ich greife ab, was sich mir bietet. Die Sterne werden abgearbeitet.
In meinen Runden kommt GALILEO GALILEI überwiegend gut an. Was ich nicht ganz nachvollziehen kann. Ich werde GALILEO GALILEI vermutlich nicht mehr oft spielen, da mich das Spiel inzwischen eher langweilt. Der Partieverlauf ist ziemlich erwartbar, vielleicht kann ich beim nächsten Mal ein bisschen besser optimieren, aber es ist wenig da, woran ich mich reiben könnte, was mich reinzieht, was mich verlockt. Vom Inquisitions-Mechanismus hätte ich mir diese Reibung versprochen. Aber auch der überrascht nur beim Erstkontakt.
Definitiv gut gefällt mir, dass GALILEI GALILEO mit recht wenigen und logischen Prinzipien auskommt. Es gibt keine Sonderfälle, die Symbolik ist auch sehr klar. Einmal gespielt, hat man die Regeln drauf. Mechanisch ist GALILEO GALILEI sehr elegant.


**** solide

GALILEO GALILEI von Tomáš Holek für eine:n bis vier Spieler:innen, Frosted Games / Pink Troubadour.

Perfect Words

Perfect Words: Cover

Der Spieltitel legt die Latte dermaßen hoch, dass ich sie mit einer Einleitung nur reißen könnte.

Wie geht PERFECT WORDS? Wir spielen ein kooperatives Wort-Assoziationsspiel. Bin ich am Zug, muss ich eine von zehn ausliegenden Wortkarten wählen und sie ans gemeinsame Raster anlegen. Nach und nach entsteht ein Kreuzworträtsel.
Sobald zwei Karten senkrecht oder waagerecht benachbart liegen, wird davor ein Pfeilplättchen mit einer Zahl platziert. So deutet nun (siehe Bildbeispiel) Pfeil Nummer eins auf die Begriffe „Sänger:in“ und „Polizei“, Pfeil zwei deutet auf „Polizei“ und „Werkzeug“ und so weiter. Zu diesen Wortgruppen müssen wir später Oberbegriffe finden. Sofern noch Platz ist, dürfen wir Wortreihen hinter dem Pfeil auch noch verlängern.

Perfect Words: Kreuzworträtsel

Haben wir Pfeil zehn gelegt, geht PERFECT WORDS in die nächste Phase: Jede:r notiert Oberbegriffe für die Wortgruppen eins bis zehn, wobei wir uns natürlich nicht absprechen dürfen. Bei Nummer eins würde ich sicherlich „Sting“ aufschreiben, bei zwei „Schlagstock“.
Je besser wir übereinstimmen, desto mehr Punkte gewinnen wir. Ein Tabelle sagt uns, wie hoch unsere Leistung einzuschätzen ist.

Was passiert? Mit PERFECT WORDS habe ich sehr unterschiedliche Spielverläufe erlebt. Die Meinungen hinterher gingen von „viel zu leicht“ bis „komplett unmöglich“. Erfolgreich ist eine Gruppe dann, wenn beim Kartenlegen auf naheliegende Assoziationen gesetzt wird, damit viele denselben Gedanken haben. Was in einer homogenen Gruppe deutlich leichter klappt als in einer altersunterschiedlichen fremden Runde.
Voraussetzung ist auch, dass man die verfügbaren Wortkarten und das vorhandene Raster in Ruhe analysiert und nicht einfach spontan irgendwas greift und anlegt. Und zweifellos gehört auch das Glück dazu, dass sich mit den angebotenen Wortkarten etwas anfangen lässt. Den Schwierigkeitsgrad können wir vorab justieren, indem wir viele oder wenige der vermeintlichen leichteren Begriffe einmischen.


Perfect Words: Begriffe

Was taugt es? Wir sind geistig gefordert. Auch wenn ich nicht am Zug bin, sollte ich über die Wortkarten und ihre mögliche Verwendung nachdenken und sollte mir potenzielle Oberbegriffe überlegen, um womöglich eine der Wortreihen durch ihre Verlängerung noch zu präzisieren.
PERFECT WORDS macht Spaß, wir erschaffen etwas gemeinsam, nämlich unser eigenes Kreuzworträtsel. Und Erfolgserlebnisse in der Gruppe sind ja sowieso stets motivierend.
Trotzdem muss sich PERFECT WORDS mit ähnlichen Spielen messen lassen, von denen es in jüngster Zeit einige gab. In diesem Fall denke ich vor allem an SO KLEEVER, das – mit Ausnahme der Kartenhalter, die die Karten nicht richtig halten – eleganter und ausgereifter ist.
Der Schwerpunkt von SO KLEEVER ist das Raten. Das gemeinsame Diskutieren und Abwägen ist wesentlich lebendiger, als Lösungen – wie in PERFECT WORDS – still auf einen Zettel zu schreiben. Die Lösungsphase in SO KLEEVER hat obendrein einen Puzzle-Charakter, es geht über das reine Assoziieren hinaus. Zudem können Rätsel in SO KLEEVER nicht nur mit naheliegenden, sondern auch mit originelleren Assoziationen erfolgreich sein.
PERFECT WORDS legt den Fokus auf die Bauphase, auf das gemeinsame Konstruieren des Rätsels. Der Hauptteil von PERFECT WORDS ist also eine Phase, in der wir uns schweigend verständigen müssen, wo jede:r für sich grübelt und Wartezeiten entstehen. PERFECT WORDS ist ein ruhiges, konzentriertes Spiel.


**** solide

PERFECT WORDS von Paul-Henri Argiot für zwei bis sechs Spieler:innen, Piatnik.

Kathmandu

Kathmandu: Cover

Ich werde oft gefragt: Wer spielte die Flöte in Cat Stevens Song „Katmandu“? Weil ich es weiß.

Wie geht KATHMANDU? Wir machen ein Wettrennen mit Yaks. Entscheidend ist nicht allein der Zieleinlauf, sondern eine Punktwertung.
Das Rennen führt durch verschiedene Landschaften. Wir punkten (unter anderem), indem wir schnell vorankommen. Und wertvolle Waren erwerben (wofür wir Münzen brauchen, und das Yak muss in einer Stadt zum Stehen kommen). Und in Klöstern vorbeischauen (Halt im Kloster erforderlich). Und die Landschaftsarten in einer bestimmten Reihenfolge abklappern: Jede:r mischt zu Beginn einen Stapel Landschaftsplättchen und dreht das oberste um, das beispielsweise Steppe zeigt. Sobald das Yak in einer Steppe stehenbleibt, ist dieser Teilauftrag abgearbeitet, und das nächste Plättchen kommt an die Reihe.

Kathmandu: Parcours

Voran geht’s mit Würfeln. Sechs verschiedenfarbige stehen mir pro Runde zur Verfügung, drei davon setze ich für drei Yak-Bewegungen ein. Bin ich mit meiner Würfelauswahl unzufrieden, darf ich einen Würfel beiseitelegen und den Rest noch einmal würfeln. Was Chance und Risiko zugleich ist. Chance: Mein neuer Wurf könnte besser sein. Risiko: Je weniger Würfel mir verbleiben, desto geringer meine Möglichkeiten.
Der Würfel sollte mit Zahl und Farbe passen. Die Zahl bestimmt die Zugweite meines Yaks. Ich will nicht zu früh stoppen, nicht an meinem angepeilten Zielort vorbeilaufen, nicht gegen ein Gebirge oder den Spielplanrand prallen (gibt Strafe). Und ich will mir einen guten Ausgangspunkt für den nächsten Zug sichern. Denn während eines Zuges biegen die störrischen Yaks nicht ab. Das Manövrieren ist anspruchsvoll.

Kathmandu: Tableau

Die Würfelfarbe bestimmt, welche Ressource ich bekomme. Zum Beispiel bringt mir ein orangefarbener Würfel eine Münze, ein grauer Würfel einen Kompass. Alles kann man gebrauchen, manches häufiger, manches dringender.
Und als hätte man nicht genug zu tun, will man unterwegs auch noch Ausrüstungskarten (für hilfreiche Sondereffekte) und Tierkarten (zählen Punkte) erwerben. Beide kosten jeweils eine vorgegebene Ressource, und es gibt sie nur in bestimmten (stets wechselnden) Gebietsarten. Und auch ihr Erwerb ist ein Wettlauf: Was weg ist, ist weg.

Was passiert? Während meines Zuges muss ich also Diverses unter einen Hut bringen. Will ich in zwei Schritten in einem Kloster landen und muss dafür abbiegen, ist klar, welche Augenzahlen ich brauche. Hoffentlich würfle ich die, und im Bestfall taugen sogar noch die Würfelfarben, und ich sacke hilfreiche Ressourcen ein.

Kathmandu: Ausrüstung

Aber auch die rasch wechselnden Gegebenheiten kann ich nicht außer Acht lassen. Ich will durchaus einige der bei Rundenbeginn neu ausgelegten Karten abgreifen. Schon allein, damit die anderen sie nicht bekommen. Und wenn die Karten nicht gerade dort angeboten werden, wo ich sowieso hinmöchte, verleitet mich das zu Umwegen.
Und ich muss mit meinen Ressourcen haushalten. Laufe ich gegen die Windrichtung, muss ich einen Kompass abgeben. Kann ich das nicht, setzt es eine Strafe. Also will ich schnell aus dem Gegenwind wieder heraus. Und so weiter und so fort.

Was taugt es? KATHMANDU enthält ganz sicher nicht zu wenige Dilemmata. Die sehr vielen Elemente machen KATHMANDU allerdings auch hakelig. Immer wieder muss ich während einer Partie Spieler:innen an Kleinigkeiten erinnern. Man vergisst, für den Gegenwind zu bezahlen. Oder für die Überquerung eines Grenzstreifens. Oder beides. Man vergisst auch, die Ressource der Würfelfarbe zu nehmen oder übersieht, dass man irgendwo hingezogen ist, wo es eine Karte zu kaufen gäbe.
Der an sich simple Zug, das Yak entsprechend der Augenzahl in eine Richtung zu versetzen, zieht manchmal einiges an Verwaltung nach sich. Und man vergisst Dinge, weil das Spiel rein mechanisch und nicht etwa thematisch zusammenhängt. Und weil die Gestaltung das Spiel nicht immer gut unterstützt.
Insbesondere der Gegenwind, der offiziell auch gar nicht so heißt (sondern „Richtung der roten Kompassnadel“), wird oft übersehen, weil es antiintuitiv ist, zahlen zu müssen, während man in die hervorgehobene Himmelsrichtung läuft. Eher würde man eine Strafe erwarten, sobald man gegen die Pfeilrichtung unterwegs ist.
KATHMANDU benötigt viel Tischfläche. Das Spiel ist sehr wertig produziert, es enthält Ablagetafeln aus dicker Pappe für Materialien, die meiner Meinung nach gar keine Ablagetafeln benötigen, sowie Double-Layer-Boards für Dinge, die normalerweise nicht zu verrutschen drohen. Mir soll das egal sein, wenn die Kundschaft es so liebt. Nur wirkt dieser Luxus unverhältnismäßig, wenn gleichzeitig spielrelevante Elemente wie die Grenzstreifen den Praxistest nicht bestehen. Angeblich sollen sie sich prima zwischen die Tableaus klemmen lassen, tatsächlich verrutschen sie aber während der Partie und kippen um.

Kathmandu: Tiere

Auch jenseits der Umsetzung wirkt KATHMANDU auf mich nicht ganz ausgereift. Für mein Empfinden sind Mechaniken enthalten, die das Spiel nur umfangreicher, nicht aber besser machen. Die Sturmfront, die die Spieler:innen verfolgt, kann ein belangloses laues Lüftchen sein. Bei Tierkarten und Landkarten, die wir unterwegs sammeln sollen, erschließt sich mir nicht der spielerische Mehrwert.
Zu einer Partie würde ich dennoch nie nein sagen. Denn vieles ist auch gut: Der Würfelmechanismus und der Nachwürfelmechanismus und die schwerfällige Yakbewegung sind pfiffig. Nicht zuletzt durch das Würfeln wird KATHMANDU nie langweilig. Man hat immer Ziele und Nöte, man hat immer was zu tun. Unterhaltsam ist es definitiv.


**** solide

KATHMANDU von Stefan Feld für zwei bis vier Spieler:innen, Queen Games.

Astrobienen

Astrobienen: Cover

Ach, im Weltall kann mich sowieso niemand hören.

Wie geht ASTROBIENEN? Wir sind Bienen im Weltraum und machen das, was Bienen dort typischerweise tun: Rohstoffe sammeln und damit Waben bauen. Die Waben sind sechseckförmige Plättchen, die ich angrenzend an mein Startteil lege. Rote Waben bringen einen Sofort-, blaue einen Dauer- und gelbe einen Endwertungseffekt, grüne Waben bringen mir ein gelegentliches Einkommen.
Ist mein Starttableau voll bebaut, erhalte ich eine Punktebelohnung. Ich kann weitere Anbauten installieren, und für jeden, den ich komplett befülle, gewinne ich ebenfalls Punkte. Jedes Bienenvolk hat etwas andere Voraussetzungen und Gegebenheiten.
ASTROBIENEN ist ein Figuren-Einsetzspiel. Ungewöhnlicherweise sind besetzte Felder aber nicht besetzt. Ich schubse die anwesende Biene einfach beiseite. Die rutscht dann auf ein anderes Feld oder fliegt nach Hause zurück und kann erneut eingesetzt werden. Und: Sie wird dabei um eine Stufe stärker. Bienen der höchsten Stufe 4 bekommen bei allen Aktionen einen erheblichen Bonus. Insbesondere sind sie die einzigen Bienen, mit denen ich überhaupt eine gelbe Wabe erwerben darf.

Astrobienen: Spielplan

Allerdings kehren die Vierer-Bienen nicht mehr zurück. Wird eine verdrängt, erhält sie noch eine kleine Belohnung und nimmt bei Spielende an einer Mehrheitenwertung teil. Ansonsten aber scheidet sie aus.
In ASTROBIENEN gibt es fünf Bereiche, um meine Bienen einzusetzen: Entweder fliege ich mit dem gemeinsamen Raumschiff, erforsche Planeten und gewinne Rohstoffe. Oder ich kaufe und baue eine Wabe. Oder ich ziehe Aktionskarten und suche mir eine davon aus. Oder ich hole mir neue Bienen aus dem Vorrat und / oder kaufe einen Anbau. Oder ich tausche Rohstoffe gegen andere Rohstoffe. Das ist nötig, um an die raren höherwertigen Rohstoffe Wachs und Honig heranzukommen, die ich zwingend für rote und gelbe Waben benötige. Überall gilt: Je stärker meine Biene, desto stärker ist ihre Aktion.


Astrobienen: Spielplan

Was passiert? ASTROBIENEN spielt sich sehr flüssig. Das liegt an der Klarheit der Elemente und sicherlich auch an ihrem Bekanntheitsgrad, denn so richtig neu ist das alles nicht. Dass wir uns schnell zurechtfinden, liegt zudem am gut gemachten Spielplan, auf dem alle Aktionen noch einmal beschrieben sind. Und daran, dass es keine Blockaden gibt. Aus Verdrängung erwächst hier etwas Positives.
Originellerweise werde ich sogar dann noch belohnt, wenn ich meine Rohstoffe nicht einlagern kann. Für jeden Baustoff, den ich wegen Platzmangel wegwerfen muss, gewinne ich einen Schritt auf einer Skala (die langfristig Punkte abwirft).
Allenfalls zwei Dinge in ASTROBIENEN sind hakelig: 1. Bei der Aktionskartenwahl bekommen Spieler:innen öfter mal drei oder gar vier Karten und dürfen nur eine behalten. Sich da für die beste zu entscheiden, kann eine Weile dauern, zumal alle Karten zweigeteilt sind und entweder eine besondere Aktion gewähren oder eine Punktewertung am Spielende (um die auszulösen, wird dann wieder eine Vierer-Biene gebraucht).
2. Meine Bienen werden zunächst immer stärker, meine Aktionen bringen immer mehr. Haben sich jedoch die ersten Vierer-Bienen verabschiedet, kann es sein, dass ich abrupt arg limitiert bin. Das sehe ich aber nicht als Problem des Spiels an, sondern als selbst eingebrocktes Dilemma, falls ich mich nicht rechtzeitig um Nachwuchs gekümmert habe.


Astrobienen: Tableau

Was taugt es? Die spannendsten Momente in ASTROBIENEN betreffen die Vierer-Bienen. Weil sie sehr mächtig sind, aber nach ihrem Einsatz verschwinden, kommt es darauf an, einen wirklich guten Zug für sie auf Lager zu haben. Das könnte zum Beispiel der Kauf einer gelben Endwertungs-Wabe sein. Was aber nur klappt, wenn ich mir als Zahlungsmittel rechtzeitig Honig besorgt habe.
Weil es ein Wettrennen auf die attraktivsten gelben Waben gibt, hoffe ich, im richtigen Moment mit einer Vierer-Biene losfliegen zu können. Wofür ich natürlich eine solche Biene haben muss. Generell möchte ich viele Vierer-Bienen generieren, deshalb freue ich mich, wenn ich in rascher Folge verdrängt werde. Das ist allerdings nicht so leicht zu bewerkstelligen. Ich muss mich dort hinstellen, wo sich die anderen kurz danach hinstellen werden. Nur kenne ich deren Pläne nicht so genau, und außerdem will ich nicht nur immer bloß im Weg rumstehen, sondern dort auch noch eine sinnvolle Aktion ausführen.
Habe ich mit einer Biene eine Aktion gewählt, die andere Spieler:innen aktuell nicht reizt, steht meine Figur da erst mal rum. ASTROBIENEN ist so konstruktiv, dass es auch hierfür eine Lösung gibt: Ich kann meine Bienen statt eines Einsetzzuges einfach zurückrufen; dann werden sie aufgewertet, und ich erhalte sogar ein Einkommen.

Astrobienen: Waben

Mir gefällt in ASTROBIENEN der elegante und spannende Spielablauf. Mechanisch originell finde ich ASTROBIENEN nicht, auch wenn der Figureneinsatz hier auf besonders konstruktive Art umgesetzt ist. Das Thema unterstützt das Spiel nicht; es rangiert irgendwo zwischen Gag und Trash.
Am wenigsten gefällt mir die für ein Spiel dieser Komplexität doch große Unwucht bei den Völkern, den Waben und den Karten. Die verschiedenen Bienenvölker empfinde ich nicht als ausgewogen, nicht einmal die Startvölker. Je nachdem, welche gelben Waben ausliegen, können sich für manche Spieler:innen tolle Synergien anbieten, für andere nicht. Manche roten Waben sind megastark, andere unattraktiv.
Und während die roten Waben immerhin nach und nach ins Spiel kommen und die nachrückende und potenziell supertolle Wabe vorübergehend erst mal besonders teuer ist, sind die Karten wie eine Lotterie. Ich habe erlebt, dass eine Aktionskarte dank günstiger Umstände einfach so fünf Punkte brachte (was grob vier bis fünf Prozent der Gesamtpunkte bei Spielende ausmacht; und ich könnte sogar einen Extremfall mit noch deutlich mehr Punkten konstruieren, den ich allerdings nicht erlebt habe). Andere Aktionskarten hingegen schmeißt man ab, um zum Trost einen Rohstoff der billigsten Sorte zu erhalten. So gut ASTROBIENEN auch fließt: Wenn zunehmend ein Beigeschmack bleibt, ebbt die Neugierde auf weitere Partien ab.


**** solide

ASTROBIENEN von Connie Vogelmann für eine:n bis fünf Spieler:innen, Feuerland.

Kronologic – Paris 1920

Kronologic: Cover

Mord ohne Aussicht. (Ohne Aussicht auf Einleitung.)

Wie geht KRONOLOGIC? Ein Mord ist geschehen. Wer ihn zuerst aufklärt, gewinnt.
KRONOLOGIC – PARIS 1920 spielt auf dem „Grundriss der Pariser Oper“. Die Oper hat sechs Räume. Jeder ist durch Türen mit mindestens zwei anderen Räumen verbunden. Auf diesem Grundriss bewegen sich die sechs möglichen Täter:innen. Es gibt keine Spielfiguren. Die Bewegungen geschehen in unserer Vorstellung.
Wir kennen die Standorte der sechs Verdächtigen zum Zeitpunkt 1, dem Spielstart. Für weitere fünf Zeitpunkte, die einfach nur von 2 bis 6 durchnummeriert sind, müssen wir die Laufwege der Personen rekonstruieren. Wir wissen: Niemand bleibt stehen. Jede Person bewegt sich von einem Zeitpunkt zum nächsten von ihrem Ort weg zu einem verbundenen Nachbarort.
In Szenario 1 (es gibt drei Szenarios mit je fünf Fällen) wurde eine der sechs Personen vergiftet, nämlich der Detektiv. Täter:in ist, wer zu irgendeinem Zeitpunkt mit dem Detektiv allein in einem Raum war.

Kronologic: Lochpappen

Bin ich am Zug, frage ich eine Information ab, indem ich eine Raumkarte und eine Zeitpunkt-Lochpappe übereinanderlege. So erfahre ich, wie viele Charaktere sich zu diesem Zeitpunkt in diesem Raum aufgehalten haben. Oder ich kombiniere Raumkarte und Personen-Lochpappe und erfahre, wie häufig diese Person diesen Raum aufgesucht hat.
Das Ergebnis teile ich auch den anderen Spieler:innen mit. Aber ich bekomme noch eine geheime Zusatzinformation: Beispielsweise muss ich bekannt geben, dass zum Zeitpunkt 4 zwei Personen im Tanzsaal waren. Dass eine davon die Abenteurerin war, darf ich für mich behalten.
Wer meint, die Lösung gefunden zu haben (Täter:in, Ort, Zeitpunkt), darf im Lösungsheft nachschlagen und hat nun entweder gewonnen oder scheidet aus.

Was passiert? Anfangs tappen wir völlig im Dunklen und kombinieren mehr oder weniger auf gut Glück irgendwelche Lochpappen mit irgendwelchen Karten. Nach ein paar Runden verdichten sich hier und da Informationen, Möglichkeiten scheiden aus, andere werden wahrscheinlicher.

Kronologic: Notizen

Weiß ich, dass die Baronin zum Zeitpunkt 1 auf der Großen Treppe und zum Zeitpunkt 4 im Musiksaal war, kenne ich auch ihre Aufenthaltsorte dazwischen, denn es gibt nur einen möglichen Laufweg. Weiß ich, dass der Chauffeur insgesamt dreimal auf der Bühne war, scheiden die mehrere Schritte entfernten Räume für ihn aus. An den anderen drei Zeitpunkten kann er nur direkte Nachbarorte der Bühne aufgesucht haben.
Ich mache also Notizen. Ich versuche, aus den gesamten Informationen schlau zu werden. Ich versuche, Rückschlüsse zu ziehen, um mir Abfragen zu ersparen. Und natürlich beachte ich, welche Fährten die Konkurrenz verfolgt. Auch aus dem Verhalten der anderen lassen sich Dinge ableiten.

Was taugt es? KRONOLOGIC bricht das klassische Deduktionsspiel auf seinen Kern herunter. Wir müssen nicht mit Figuren durch die Gegend laufen oder lange Kartentexte lesen: Jeder Spielzug ist schnell abgewickelt – und beteiligt alle Spieler:innen an den Informationen. Das ist ein schlauer Dreh. So wird Leerlauf vermieden. Nicht jede:r muss jede Information noch mal abfragen.
Aber so einfach KRONOLOGIC von den Regeln her auch ist: Die Fälle zu lösen, erfordert Kombinationsgabe. (Und sicherlich auch Glück, entscheidende Informationen zu bekommen.)
Ein typischer Stolperstein in meinen Runden war immer wieder die Benennung der Räume. Auf dem Spielplan sind sie nur mit Symbolen gekennzeichnet. Und nicht alle Symbole sind eindeutig. Wenn nun jemand sagt: „Ich untersuche das Große Foyer zum Zeitpunkt 4“, ist die klassische Erwiderung: „Welcher Raum ist noch mal das Große Foyer?“ (Ja, alle Symbole werden auf den Sichtschirmen erläutert. Aber die Erfahrung zeigt: Man guckt nicht auf den Sichtschirm, sondern auf den Spielplan.)

Kronologic: Lochpappen

Dass immer alle Spieler:innen an den Informationen partizipieren, führt dazu, dass auch unsere Wissensstände nicht allzu weit auseinanderliegen. Im Finale muss ich befürchten, dass andere auch unmittelbar vor der Lösung stehen. Das ist spannend, hat aber – insbesondere in Runden zu viert – in meinen Partien dazu geführt, dass lieber auf Grundlage von 80-prozentigem Wissen geraten wurde, als den Fall absolut wasserdicht aufzuklären. Klar, man kann ausscheiden und verliert dann. Aber man verliert ja auch, wenn andere schneller sind.
Manchmal hat auch jemand geraten, ohne sich dessen bewusst zu sein. Jemand dachte, die Ermittlungen seien wasserdicht. Bei der Nachbesprechung zeigte sich dann: mitnichten. Trotzdem wird oft richtig geraten. Denn anders als in irgendwelchen Detektivromanen werden wir nicht auf falsche Spuren gelenkt. Sondern wir werden auf richtige Spuren gelenkt; das Gruppenwissen tendiert mehr und mehr in eine identische Richtung.
Oder jemand rät, weil der Überblick über die Notizen verloren gegangen ist. Werden Informationen und Schlussfolgerungen auf dieselbe Weise notiert, und sind die Schlussfolgerungen falsch, kann man die Fehlerkette nachträglich nicht mehr auflösen.
Geheimnisse zu haben, macht Spaß. Ich freue mich, wenn ich etwas herausfinde, was die anderen vielleicht noch nicht wissen. Allerdings ähneln sich die Fälle und ihre Lösungswege systembedingt. In KRONOLOGIC geht es um Logik und Struktur, nicht um eine Geschichte dahinter. Deswegen bin ich inhaltlich auch nicht neugierig auf weitere Fälle. Ich weiß ja recht genau, was mich erwartet. Der Wiederspielreiz entsteht durch den Wettlaufcharakter. Ich hoffe, bei diesem Logikrätsel den einen Schritt schneller zu sein.


**** solide

KRONOLOGIC – PARIS 1920 von Fabien Gridel und Yoann Levet für eine:n bis vier Spieler:innen, Pegasus Spiele.

Black Forest

Black Forest: Cover

Wie sagt man? Die Einleitung vor lauter Bäumen nicht sehen?

Wie geht BLACK FOREST? Wir bauen mit Rohstoffen Gebäude und erhalten Punkte dafür. Und meistens auch Sofort- oder Dauereffekte. Punkte bekommen wir zusätzlich auch für andere Dinge, für Tiere etwa oder für Vorräte.
Auch wenn Uwe Rosenberg nicht der alleinige Autor von BLACK FOREST ist (Tido Lorenz ist der andere): Vielen typischen Rosenberg-Elementen begegnen wir hier wieder: einer großen Auslage von rund 40 verschiedenen Gebäuden; Gutshof-Tableaus, auf denen sich die Gebäude den Platz mit Wäldern, Äckern, Teichen und Weiden teilen müssen; Erweiterungs-Tableaus für den bald zu eng werdenden Hof. Und am auffälligsten: den Ressourcenrädern aus DIE GLASSTRASSE.

Black Forest: Rad

Eins der beiden Räder zeigt meinen Bestand an Sand, Wasser, Holz und Kohle. Sobald ich von jedem dieser Rohstoffe mindestens einen besitze, dreht sich das Rad weiter. Von jedem Rohstoff wird nun einer weniger angezeigt, dafür jedoch zusätzlich ein Glas. Mit anderen Worten: Ich habe aus den vier Bestandteilen Glas produziert. Diese Produktion geschieht – sofern die Voraussetzungen erfüllt sind – automatisch, ob es mir gerade passt oder nicht.
Neues Material erhalte ich durch meine Züge auf dem Spielplan. Der zeigt fünf Dörfer mit jeweils drei bis vier Feldern. Zu jedem Feld sind zwei Aktionsplättchen („Handwerker“) benachbart. Bin ich am Zug, muss ich meine Figur auf ein freies Feld versetzen, dann darf ich beide benachbarten Aktionsplättchen ausführen: Ich zahle eine Kohle und erhalte vier Ziegel. Ich rode ein Waldstück und erhalte vier Holz. Ich erhalte pro eigenen Teich ein Wasser. Ich lege einen Acker an. Ich erhalte eine Kuh ... Drei der 17 Aktionsplättchen erlauben mir, ein Gebäude zu bauen.

Was passiert? BLACK FOREST ist erst mal sehr überwältigend. Man muss sich auf dem eigenen Gutshof-Tableau und mit den Ressourcenrädern zurechtfinden. Zweitens muss man die Optionen und die Positionen der 17 Aktionsplättchen auf dem Spielplan abchecken. Und drittens liegen von Beginn an sehr viele Bauvorhaben mit Texten und Symbolen aus (wenn auch gruppiert nach einem sinnvollen Ordnungssystem). Man kann nur hoffen, in einer Gruppe zu sein, die einfach losspielt und schaut, was sich so ergibt.

Black Forest: Spielplan

Aber selbst Spieler:innen, die schnell spielen wollen, geraten immer wieder ins Stocken. Etwa ist das angepeilte Ortsfeld besetzt. Oder jemand hat zwei Aktionsplättchen miteinander vertauscht. Oder jemand hat genau das Gebäude gebaut, auf das man hingearbeitet hat. Oder den angepeilten Auftrag weggeschnappt. Oder droht es im nächsten Zug zu tun und man kann nicht mehr kontern. In solchen Situationen überlegt man ganz von vorn. Und weil es in BLACK FOREST viel zu optimieren gibt und immer mal wieder was verfällt oder nicht den besten Nutzen bringt, wenn man nicht gründlich genug plant, ist ein befriedigender Alternativzug selten schnell gefunden.
Eine Quelle für viele Planungsfehler, die dann ebenfalls den gedachten Zug verhindern und zum Neuüberlegen zwingen, ist das Ressourcenrad. Da produziert das Rad mal wieder Glas, was man grundsätzlich ja toll findet, aber prompt hat man nur noch eins von zwei Holz, die man für das Gebäude ebenfalls bezahlen müsste. Es kann mehrere Partien dauern, bis man das Rad in den Griff kriegt. Bis dahin heißt es: „Oh, äh … geht gar nicht. Sorry, ich fange mit meinem Zug noch mal neu an.“
Die Herausforderung ist von den Autoren so gewollt. BLACK FOREST ist ein anspruchsvolles Spiel. Und Planungsfehler sind nun mal keine unglücklichen Zufälle, sondern es sind Fehler. Man brockt es sich selbst ein. Im Extremfall sogar durch Annahme eines Rohstoff-Geschenks, das man hätte ablehnen dürfen – aber wer lehnt schon Geschenke ab? Tja, und der neue Rohstoff führt nun dazu, dass sich das Rad weiterdreht. Und dass das nachteilig war, kapiert man einen oder zwei Züge später.
BLACK FOREST empfinde ich an dieser Stelle als streng und restriktiv. Gut dagegen gefällt mir, welche Freiheiten die Gebäude eröffnen. Da kann man sich schöne Kombinationen aufbauen. Niemand muss die Strategie der anderen nachspielen, es sind genügend verschiedene Wege angelegt. Zumal in jeder Partie immer andere Gebäude mitspielen.


Black Forest: Gutshof

Was taugt es? BLACK FOREST ist ein Strategiespiel. Aus dem Gebäudeangebot kann ich mehrere Marschrouten für die Partie ableiten. Der Weg zum Ziel ist dann allerdings sehr taktisch, da ich viel zu optimieren habe und öfter umplanen muss; und weil ich zudem gut haushalten muss, denn Bewegungen von Dorf zu Dorf kosten Proviant, und ist der verbraucht, muss ich einen Zug aussetzen und betteln.
Das Spiel ist redaktionell sehr gut gemacht. Mir gefällt auch die gesamte Anmutung; BLACK FOREST sieht toll aus. Mir gefällt, wie ich mein Gut entwickle und konstruktiv etwas aufbaue. Und mir gefällt, wie thematisch alles auf sehr einleuchtende Weise zusammenhängt.
Allerdings finde ich diese Vorzüge auch in anderen Spielen, die leichter von der Hand gehen. Das Alleinstellungsmerkmal von BLACK FOREST ist das Ressourcenrad. Und zum zweiten Mal nach DIE GLASSTRASSE (das mechanisch und vom Spielgefühl her ein deutlich anderes Spiel ist) hadere ich mit der Art, wie dieses Rad ins Spiel integriert ist. Der Zusatzreiz, den das Rad offenbar bringen soll, erschließt sich mir nicht.
Wegen der tollen Ausstattung und Optik und weil ich auch neugierig wäre, welche Möglichkeiten sich noch in BLACK FOREST verbergen, wäre mein Interesse an weiteren Partien durchaus vorhanden. Allerdings möchte ich nicht mehr zu viert spielen und selbst zu dritt lieber nur mit Bauchspieler:innen. Und sogar dann wäre die Frage, warum wir nicht einfach eins der vielen ähnlich gelagerten Spiele mit besserem Flow spielen.


**** solide

BLACK FOREST von Uwe Rosenberg und Tido Lorenz für eine:n bis vier Spieler:innen, Feuerland.

Shake That City

Shake That City: Cover

Ich kann auch nicht jedes Mal eine Einleitung aus dem Ärmel schütteln.

Wie geht SHAKE THAT CITY? Wir bauen auf sechs mal sechs Felder großen Tableaus Städte mit Wohnvierteln, Geschäften, Parks, Fabriken und Straßen. Jede Plättchensorte punktet auf andere Weise. Parks sollten neben Wohnvierteln oder Fabriken liegen, Geschäfte möglichst im Stadtzentrum, aber sie benötigen einen Straßenanschluss, Wohnhäuser sollen keinesfalls an Fabriken angrenzen ...
Ein mechanischer Pappapparat (der „Shaker“) spuckt jede Runde zufällige neun Holzsteine aus, fein geordnet als Raster der Größe drei mal drei. Steine gibt es in fünf unterschiedlichen Farben, manche häufiger, andere seltener. Jede Farbe steht für einen der fünf Bebauungstypen.

Shake That City: Shaker

Die Startperson wählt zuerst eine der Farben und muss entsprechend viele zugehörige Gebäudeplättchen in die eigene Stadt legen – und zwar in exakt derselben Anordnung, wie die Klötze aus dem Shaker herausgekommen sind. Wählte ich im Bildbeispiel Blau, müsste ich vier blaue Geschäfte in jeweils zwei parallelen Zweiergruppen bauen. Wählte ich Grau, dürfte ich ein graues Straßenplättchen auf irgendein freies Feld meiner Stadt legen.
Alle anderen Spieler:innen wählen nun ebenfalls eine Farbe und legen die Plättchen. Die Wahl der Startperson ist für alle Nachfolgenden tabu.
Das spielen wir 15 Runden lang und rechnen am Ende die Punkte aus. Neben den fünf Gebäudearten punkte ich auch für korrekt gefüllte Reihen und Spalten. Welche Vorgaben da jeweils gelten, losen wir zu Spielbeginn aus. Beispielsweise sollen in die erste Spalte sechs beliebige Gebäude, in die zweite sollen mindestens vier schwarze Fabriken. Und so weiter.

Was passiert? SHAKE THAT CITY ist ein Mehrpersonen-Solitärspiel. Bin ich nicht selber Startspieler, warte ich ab, welche Farbe zuerst genommen wird, und analysiere dann, welche der übrigen mir am besten in den Kram passt. Wir spielen gleichzeitig, und was die anderen tun, beeinflusst mich nicht.

Shake That City: Stadt

Auf welche Gebäudesorten ich abziele, ist teilweise Geschmackssache. Man kann mit jeder Farbe ordentlich punkten. Je weiter das Spiel fortschreitet, desto mehr Zwänge und Notwendigkeiten ergeben sich allerdings: Geschäften fehlt noch eine Straßenanbindung, Wohnblocks laufen Gefahr, dass nebenan Fabriken entstehen.
Solche Legeunfälle passieren, weil ich gezwungen bin, eine Farbe zu wählen, und zwar eine, von der ich sämtliche Plättchen wie vorgegeben verbauen kann. Und weil mein Tableau immer voller wird, passt von den hingeschüttelten Farben vielleicht nur noch eine einzige – die muss ich nun nehmen. Und womöglich an einen idiotischen Ort legen.
Diese Zuspitzung macht das Spiel im Finale spannend. Wer will, kann Risiko vermeiden und – um am Ende flexibler zu sein – anfangs lieber Farben mit wenig Plättchen wählen. Weil man aber nicht weiß, was der Automat ausspuckt, kann Vorsicht auch nach hinten losgehen. Womöglich kriege ich im Finale wenig Material und meine Stadt bleibt zu leer.

Was taugt es? SHAKE THAT CITY ist ein strukturiertes Spiel mit sehr klaren Abläufen. Die Übersichtstafeln klären alle Fragen. Die Punktwertungen und Wechselbeziehungen der Plättchen sind thematisch schlüssig.

Shake That City: Übersicht

Wie gut der Shaker funktioniert, hat mich überrascht. Klar, es bleibt auch mal ein Klötzchen stecken, und dann muss man die Maschine noch einmal bedienen. Aber im Regelfall bekommt man neun zufällige und sehr akkurat aufgereihte Holzsteine. Müsste man die Farbvorgabe mit gemischten Karten herstellen oder indem man Würfel aus einem Beutel zieht: Man verlöre bald die Lust.
Im Grunde trägt der Shaker das komplette Spiel. Er ist sogar faszinierender als die Legeaufgabe – die völlig in Ordnung ist, vor allem dank ihrer Reduziertheit aufs Nötigste. Aber sie folgt Ideen, die auch schon in anderen Stadtbauspielen beackert wurden.
Mechanisch originell finde ich, dass man anders als in anderen Legespielen nicht nur jeweils ein Plättchen bekommt, sondern oft gleich mehrere und die in einer vorgegebenen Anordnung. Das verleiht SHAKE THAT CITY auch Puzzle-Charakter. Die Idee ist interessant, aber trotzdem nicht so umwerfend, dass SHAKE THAT CITY im Vergleich zu den vielen anderen Legespielen herausragt.
Daran ändern auch das alternative Tableau (Stadt am Meer) und das enthaltene Modul nichts, obwohl ich es natürlich sehr begrüße, dass die Autoren Varianten mitliefern. SHAKE THAT CITY ist für mich ein typisch solides Spiel. Mit einem tollen mechanischen Gerät.


**** solide

SHAKE THAT CITY von Mads Fløe und Kåre Torndahl Kjær für eine:n bis vier Spieler:innen, Board Game Circus / AEG.

Rebel Princess

Rebel Princess: Cover

Schade, in der Einleitung habe ich diesmal nichts Stichhaltiges zu bieten.

Wie geht REBEL PRINCESS? Es ist ein Stichspiel, bei dem wir Stiche meistens vermeiden wollen, denn alle blauen Karten im Stich (die Prinzen) zählen Minuspunkte. Und noch mehr Minuspunkte zählt die grüne Acht (der Frosch).
Eingekleidet ist das in eine schöne und auch sehr einleuchtende Geschichte. Wir sind Prinzessinnen, wollen in Ruhe eine Tanzparty veranstalten, aber typisch Typ: Die übergriffigen Prinzen schleichen sich ein und nerven mit ihren Heiratsanträgen.
Eigentlich folgt das Spiel sehr einfachen Regeln, nämlich die höchste Karte der angespielten Farbe gewinnt den Stich. Allerdings wird diese Einfachheit doppelt durchbrochen. Erstens besitzen wir jeweils eine Sonderfähigkeit, die einmal pro Runde auf irgendeinen Stich angewendet werden darf. Zweitens gilt für jede Runde eine andere zufällig bestimmte Zusatzregel.

Rebel Princess: Regelkarten

Beispielsweise müssen wir unsere Blätter vorab in zwei Hälften teilen und spielen erst die eine und dann die andere. Oder die roten Karten sind Trumpf. Oder nach jedem Stich wird eine Karte nach rechts weitergegeben. Oder jede gespielte Sechs kehrt die Reihenfolge der Zahlen im Stich um. Und so weiter.

Was passiert? Die raschen Regeländerungen bewirken einerseits, dass REBEL PRINCESS nicht so ganz einfach ist. Man muss sich ständig auf etwas Neues einstellen. Bei manchen Regeln geht erst hinterher ein Licht auf, wie man cleverer damit umgegangen wäre. Und bei manchen Regeln verstehen ohnehin nicht alle auf Anhieb, was gemeint ist, und man muss gemeinsam den Wortlaut deuten.
Gleichzeitig machen die garantierte Abwechslung und das Erfordernis, die Spielweise stets flexibel anzupassen, REBEL PRINCESS sehr unterhaltsam. Man freut sich darauf, dass die nächste Runde anders sein wird. Man ist gespannt darauf.


Rebel Princess: Karten

Was taugt es? Manchmal sind die Gestaltungsmöglichkeiten gering. Denn zweifellos gibt es – trotz Kartenweitergabe zu Beginn – bessere und schlechtere Blätter. Wer Stichspiele gut beherrscht und die Karten mitzählt, wird zwar auch bei REBEL PRINCESS erfolgreicher abschneiden, ist aber nicht unverwundbar. Die Sonderfähigkeiten lassen sich teilweise bestens nutzen, um jemand eins auszuwischen oder den Spielverlauf erheblich zu verändern.
Die Sonderfähigkeiten halte ich übrigens für nicht gleichermaßen stark. Oder zumindest haben sich in meinen Runden manche als deutlich leichter nutzbar erwiesen als andere. Bei einem ohnehin auf Chaos und Witz angelegten Spiel fällt das vielleicht nicht ganz so sehr ins Gewicht.
Das Konzept, immer wieder anders sein zu wollen, löst Spielreiz aus, begrenzt ihn in gewisser Weise aber auch. Angesichts der vielen Stichspiele auf dem Markt würde ich dauerhaft dann doch lieber eins spielen wollen, das verlässlich durchkomponiert ist, und eher keins, bei dem manche Regelmodifikationen gelungener und manche weniger gelungen sind.
Ab und zu oder wenn’s speziell gewünscht ist, wäre ich aber auch bei REBEL PRINCESS dabei. REBEL PRINCESS ist eine sichere Bank, um eine Stichspielrunde gut zu unterhalten, Aufmachung und Spielgeschichte sind sympathisch.


**** solide

REBEL PRINCESS von Daniel Byrne, Gerardo Guerrero, Kevin Peláez und Tirso Virgós für drei bis sechs Spieler:innen, Wonderbow / Zombi Paella.

Kutná Hora: Stadt des Silbers

Kutna Hora: Cover

Schweigen ist Gold. Wortkargheit ist Silber.

Wie geht KUTNÁ HORA? Wir bauen Gewerbegebäude in der schönen Stadt Kutná Hora. Die zählen Punkte für jedes ihrer Wappen, das dem Wappen eines der Nachbargebäude entspricht.
Um zu bauen, benötige ich Grundstücke und Baurechte. Grundstücke kosten Geld, Baurechte kosten auch Geld. Ich brauche also Geld. Geld bekomme ich, wenn ich die Aktion „Einkommen“ wähle. Was ich aber möglichst selten tun möchte, weil es ein ansonsten weitgehend verlorener Zug ist. Damit ich die Einkommen-Aktionen selten wählen muss, möchte ich mein Einkommen maximieren.
Das wiederum ist in KUTNÁ HORA kniffliger als in anderen Spielen. Baue ich ein Gebäude, das etwa Nahrung produziert, sinken wegen des gestiegenen Angebots sofort die Nahrungspreise. Allgemeiner gesagt: Wann immer ich von einer Ware mehr produziere als vorher, sinkt zunächst deren Erlös. Die Ware wird erst dann wieder wertvoller, wenn auch andere Waren häufiger hergestellt werden.

Kutna Hora: Anzeiger

KUTNÁ HORA schafft also ein Abbild von Angebot und Nachfrage. Und das auf mechanisch einfache Weise: Es genügen zwei Kartendecks in Papphaltern mit Schiebern und Sichtfenstern darin sowie einfache Symbole auf den Gebäuden, wann in Folge ihres Baus Schieber verschoben oder Karten herausgezogen werden müssen.

Was passiert? Spielerisch mit dieser „dynamischen Wirtschaft“ umzugehen, ist gar nicht so einfach. Ich kann versuchen, anderen die Baurechte wegzuschnappen, damit ich es wenigstens selbst in der Hand habe, wie oft ein Gewerbe in die Stadt kommt. Durch Nichtbauen könnte ich das Warenangebot dann verknappen. Andererseits will ich ja generell durchaus bauen, schließlich bringt das Punkte.

Kutna Hora: Spielplanausschnitt

Timing ist in KUTNÁ HORA fast immer wichtig: wann ich ein Baurecht nehme (sobald es möglichst billig ist natürlich; aber warte ich zu lange, nimmt es wohl jemand anderes), wann ich mir ein Grundstück sichere (dito), wann ich Einkommen nehme (sobald es mir besonders viel bringt), wann ich am Dom mitbaue (dito).
Genau wie die Stadt bauen wir auch den Dom und übrigens auch das Bergwerk gemeinsam. KUTNÁ HORA ist durchzogen von Wechselspielen aus Kooperation und Konkurrenz: Die Bautätigkeit aller hat Einfluss auf die Preise. Die Wappen eines fremden Nachbargebäudes können meinem Gebäude Punkte bringen, gleichzeitig zählen dann auch meine Wappen fürs Nachbargebäude. Öffentliche Gebäude werden von einer Person gebaut, können aber allen helfen. Ich darf Patrizier in den Stadtrat einsetzen, um mir genehme Wertungen zu initiieren – aber andere profitieren davon möglicherweise ebenso.
Alle Aktionen wähle ich durch das Ausspielen zweigeteilter Karten. Sie zeigen eine Kombination aus zwei Aktionen. Eine der Aktionen führe ich durch, die andere muss ich verfallen lassen. Jede Aktion ist insgesamt nur zweimal auf meinen Karten abgebildet, so dass ich nicht dauernd dasselbe machen kann, sondern variieren muss.


Kutna Hora: Karten

Was taugt es? Der Kartenmechanismus ist einfach und einleuchtend, schwere Dilemmata löst er aber nicht aus. In meinen Partien musste sich selten jemand ärgern, die falsche Karte abgelegt zu haben und nun nicht die Wunschaktion ausführen zu können. Zumal man sowieso nicht darum herumkommt, für jeden Bau den dreigeteilten Ablauf aus „Grundstück reservieren“, „Baurecht sichern“ und „Gebäude bauen“ zu durchlaufen. Weshalb sich die Aktionsschritte auch erstens wie vorgegeben und zweitens langatmig anfühlen.
KUTNÁ HORA punktet mit der engen und auch thematischen Verflechtung seiner Spielelemente. Es ist überdies schön gestaltet mit Gold- und Silberdruck, filigran modellierten Spielsteinen aus Recyclingmaterial und praktischen Double-Layer-Boards. Und trotzdem verlockt es nicht zu vielen Partien.
Dass sich auf diffizile und manchmal auch chaotische Weise die Aktionen einzelner Spieler:innen auf alle und alles auswirken, ist auf einer Meta-Ebene originell, fühlt sich im Spiel aber nicht so reizvoll an. Es entsteht eher das Gefühl, in diesem fremdbestimmten System eingeengt zu sein. Die Neugierde auf kommende Partien hält sich deshalb in Grenzen.


**** solide

KUTNÁ HORA: STADT DES SILBERS von Ondřej Bystroň, Petr Čáslava und Pavel Jarosch für zwei bis vier Spieler:innen, Czech Games Edition / Heidelbär Games.

Eine ausführlichere Rezension zu KUTNÁ HORA habe ich für die spielbox 5/24 geschrieben.

Die Blumenstraße

Die Blumenstraße: Cover

Blumen sagen bekanntlich mehr als 1000 Worte.

Wie geht DIE BLUMENSTRASSE? Wir pflanzen Tulpenzwiebeln und bekommen Punkte dafür. Und weil das zu wenig verschachtelt wäre, machen wir auch noch viele andere Dinge und kriegen auch dafür Punkte.
Der mechanisch auffälligste Bestandteil von DIE BLUMENSTRASSE ist ein Windmühlentableau, mit dem ich meine Aktionen bestimme. Es besteht aus zwei ineinandergreifenden Zahnrädern, eins größer mit sechs Segmenten, eins kleiner mit fünf. In jedem Zug muss ich das Rad um mindestens eine Position weiterdrehen. Je ein Segment des großen und eins des kleinen Rades treffen sich nun an einer hervorgehobenen Stelle. Auf jedem Segment ist eine mögliche Aktion abgebildet. Eine der beiden Aktionen wähle ich und führe sie aus. Man kann sagen: Es handelt sich um ein verschlungenes Duo-Aktionsrondell.

Die Blumenstraße: Windmühlentableau

Mein Rondell kann ich im Laufe der Partie verändern, und das ist auch eine der möglichen Aktionen: Ich erwerbe ein Plättchen und platziere es auf einem Radsegment. Damit überdecke ich die bisherige Aktion, das Plättchen zeigt die neue Aktion. Plättchen sind üblicherweise verbesserte Versionen der Grundaktionen, Plättchen machen meine Mühlräder also stärker. Zweitens kann ich mich auch spezialisieren und bestimmte Aktionen mehrfach bei mir einbauen, andere dafür überbauen.
Bei Spielbeginn zeigen die Räder sieben verschiedene Aktion. Neben dem Rad-Upgrade gibt es eine Kartenaktion, die mir entweder einen Dauereffekt (mache ich fortan X, erhalte ich Y) oder eine Schlusswertung bringt. Und es gibt Aktionen, die zwar unterschiedlichen Regeln folgen, aber im Großen und Ganzen darauf hinauslaufen, dass ich Tulpenzwiebeln bekomme und / oder einpflanze und / oder Geld und / oder Punkte erhalte. Oder Plättchen oder Karten. Manche Aktionen sind mehrteilig. Dauereffekte können zusätzlich Kettenzüge auslösen.


Die Blumenstraße: noch ein Tableau

Was passiert? Weil die Räder unterschiedlich groß sind, ergeben sich beim Drehen nicht immer dieselben, sondern immer neue Aktionspaare. Das ist spielerisch interessant, weil man nicht so leicht in ein Schema verfällt, wie weit man dreht und welche Segmente man überspringt. Das Aktionsrad finden ohnehin alle Mitspieler:innen faszinierend. Es macht einfach Spaß, sich da eine eigene Maschine zu konstruieren, die hoffentlich viel effektiver ist als die der Konkurrenz.
Allerdings haben sich in meinen Partien manche Spieler:innen erstaunlich schnell in Sackgassen manövriert. Das Problem ist Geld. Anfänger:innen können noch nicht einschätzen, wie nachteilig es ist, blank zu sein. Manche Aktionen kosten Geld, und auch das Einlagern von Tulpenzwiebeln muss ab der sechsten Zwiebel bezahlt werden. Und wenn man da am Limit ist, will man natürlich keine Aktion wählen, die Tulpenzwiebeln brächte, zusätzlich scheidet jede Aktion aus, die Geld kostet – und so ist man sehr am Herumrechnen, was überhaupt geht und was einen Ausweg aus der Misere darstellt.
Diese Beobachtung spricht nicht generell gegen DIE BLUMENSTRASSE. Es ist ein Spiel im Kenner:innen- / Expert:innenbereich; da muss man eben durch Erfahrungen lernen. In meinen Partien habe ich zudem wahrgenommen, dass Führende schwer einzuholen waren. Aber auch das mag die Folge suboptimalen Spielens der Konkurrenz gewesen sein. Denn auch die richtige Einschätzung, welche Ausbauten und Wertungskarten wie stark sind, beruht auf Erfahrung. (Allerdings ist es natürlich auch Glück, an diese Dinge heranzukommen, wenn sie zum richtigen Zeitpunkt ins Angebot rutschen.)

Was taugt es? Das Windmühlentableau mitsamt seiner Mechanik empfinde ich als sehr faszinierende Idee. Allerdings ist die Idee meiner Meinung nach in DIE BLUMENSTRASSE nicht optimal ausgearbeitet. Zu viele mittelmäßige und teilweise auch unnötige Mechanismen entfernen das Spiel von seinem zentralen Element. Das Aktionsrad steht weniger im Zentrum, als es sollte.

Die Blumenstraße: Spielplan

Insbesondere wenn Spieler:innen auf Tempo spielen (sobald jemand sein großes Rad viermal komplett gedreht hat, endet die Partie), macht man auf seinem hochgezüchteten Rondell gar nicht so viele Aktionen, wie man sich das vielleicht vorgestellt hat. Und selbst wenn langsam gespielt wird, passiert für mein Empfinden zu viel abseits des Rades. Das liegt an den Kettenzügen. Je mehr ich durch eine einzige Aktion bekomme, desto weniger Züge dauert das Spiel insgesamt und desto seltener muss während der Partie das Rad zum Einsatz kommen.
Es ist auch nicht gelungen, allen sieben Aktionen ein klares Profil zu geben. Ich jedenfalls habe nicht das Gefühl, es gibt genau diese sieben Aktionen, weil sie sich logisch aus dem Spiel herleiten. Sondern es gibt sie, weil das große Rad sechs Segmente hat und für jedes eine andere Aktion gefunden werden sollte. (Plus eine für alle Segmente des kleinen Rades.)
Alles ist stark verwoben. Es gibt die Aktion „Tulpenzwiebeln pflanzen“. Aber Tulpenzwiebeln kann ich auch als Folgewirkung beim Windmühlenbau pflanzen, auch beim Marktbesuch sowie (per Dauereffekt) nach dem Fernhandel, dem Schleusen oder dem Erwerb einer Karte.
Es ist also nicht so eindeutig, für welche Effekte eine Aktion am Ende steht, weshalb ich beim Bestücken meines Rades auch gar nicht alle Folgewirkungen und Verquickungen vorhersehen kann. Das macht das Planen des Rades diffuser, als es meines Erachtens sein müsste. Das Potenzial des Radmechanismus wird teilweise verschenkt.


**** solide

DIE BLUMENSTRASSE von Dani Garcia für eine:n bis vier Spieler:innen, Giant Roc.

MFG

MFG: Cover

TMLAADGEKE.

Wie geht MFG? Wir merken uns (genauer: wir versuchen es!) umschreibende Buchstaben-Abkürzungen zu verschiedenen Objekten. In der ersten Spielphase erhalten wir reihum ein Bildplättchen und drei Buchstaben zugeteilt. Vielleicht zeigt mein Bild einen Koffer, und die geforderte Buchstabenkombination lautet EZU. Jetzt muss ich einen Drei-Wort-Slogan mit exakt diesen Anfangsbuchstaben ersinnen, der gut den Koffer beschreibt. Ich sage zum Beispiel: „Enthält zwei Unterhosen“ (oder „Einpacken, zuklappen, Urlaub“ etc.), und Bild- und Buchstabenplättchen werden nun gemeinsam gewendet.
Das machen wir zwölfmal. In der zweiten Spielphase geht es dann ums Auflösen. Ein zufällig bestimmtes Bildplättchen decken wir auf, und jede:r notiert geheim die zugehörige Buchstabenkombination oder das, was davon in Erinnerung geblieben ist. Für jeden korrekten Buchstaben an der korrekten Stelle erhalte ich einen Punkt. Und auch das machen wir zwölfmal nacheinander.

Was passiert? Die erste Spielphase ist der lustigere Teil. Man freut sich über die originellen Umschreibungen der anderen. Wir dürfen uns auch ausdrücklich gegenseitig helfen; wir sind gemeinsam kreativ.

MFG: Auswertung

Das anregende Brainstorming mündet dann abrupt in eine Klassenarbeit. Alle brüten hinter ihren Sichtschirmen. Zusammenarbeit oder Abschreiben sind verboten. Und am Ende haben immer dieselben eine Eins.
Es ist nun mal so: Manche Spieler:innen konzentrieren sich mehr oder haben das bessere Kurzzeitgedächtnis, andere weniger. Ich habe MFG in manchen Spielgruppen (an verschiedenen Tagen) mehrfach mit denselben Personen gespielt, und der Ausgang war mit nur geringen Abweichungen immer identisch.


MFG: Bilder

Was taugt es? Spielt man MFG wegen der Punkte, ist es also etwas langweilig. Die Platzierung ist vorhersagbar. Aber MFG bietet noch andere Spielanreize: Es sind die überraschenden Assoziationen und dazu die freudigen Erfolgserlebnisse, die man immer wieder hat, wenn man sich wider Erwarten doch an einiges mehr erinnert, als zuvor geglaubt.
Ob das funktioniert, hängt von der Qualität der Umschreibungen ab. Meiner Erfahrung nach wird etwas Bildhaftes wie „Enthält zwei Unterhosen“ wesentlich häufiger geraten als bloße Aufzählungen wie „Erfurt, Zwickau, Unna“.
Für den Spielspaß tut sich die Gruppe also einen Gefallen, wenn sie sich in der Kreativphase Mühe gibt. (Wobei ich als Powergamer natürlich hinterfragen könnte, wozu ich das tun soll. Nachdem „Erfurt, Zwickau, Unna“ vorgeschlagen wurde, könnte ich die bessere Alternative „Enthält zwei Unterhosen“ zum eigenen Vorteil stillschweigend für mich behalten. Mache ich aber nicht.)

MFG: Buchstaben

Was Anforderungen und Emotionen angeht, ähnelt MFG ESELSBRÜCKE, das ebenfalls von Stefan Dorra und Ralf zur Linde stammt. In ESELSBRÜCKE wurden Bildplättchen zu einer Geschichte verknüpft, was manchen Personen schwerfiel (weshalb arg kurze Geschichten entstanden), anderen wiederum große Freude bereitete (weshalb arg lange Geschichten entstanden). MFG komprimiert und kanalisiert den Kreativteil.
Obwohl auch ESELSBRÜCKE einige Nachteile mit sich herumschleppte, halte ich es für das stärkere Spiel, erstens weil die Auswertungsphase spielerischer ist. Und zweitens weil die oft abstrusen Geschichten noch mehr als die Abkürzungen haften geblieben sind. Ich habe aus den Partien etwas mitgenommen, das Spielen hat mich bereichert. Diesen Aspekt gibt es auch an MFG, aber er ist weniger deutlich.


**** solide

MFG von Stefan Dorra und Ralf zur Linde für zwei bis sechs Spieler:innen, Schmidt.

Pixies

Pixies: Cover

Pixies sind kleine Fabelwesen. Vermutlich ist deshalb auch die Schachtel von PIXIES so winzig. Und die Einleitung zu PIXIES so kurz.

Wie geht PIXIES? Wir konkurrieren um die wertvollste Kartenauslage. Karten gibt es in vier Farben und mit Punktwerten von eins bis neun. Diese Punkte bekomme ich jedoch nur dann, wenn die Karte in meiner Auslage auf einer anderen liegt (die sich dann „Waldboden“ nennt). Unabhängig von vorhandener oder fehlender Unterlage zählt jede Karte zudem einen negativen oder positiven Punktwert entsprechend ihrer Symbole (Spiralen plus, Kreuze minus). Und ich punkte für die größte zusammenhängende Gruppe einer Farbe.
In jeder Runde werden so viele Karten aufgedeckt, wie Personen mitspielen. Reihum (und mit wechselnder Startperson) wählen wir eine der Karten. Wohin ich sie dann lege, ist vorgegeben: Jede:r baut ein Raster aus drei mal drei Karten. In die oberste Zeile gehören die Werte eins bis drei, dann vier bis sechs, in der dritten Zeile sieben bis neun. Ich muss nicht angrenzend legen. Geht ja manchmal auch nicht.
Wenn ich dieselbe Zahl ein zweites Mal bekomme, beispielsweise eine zweite Sechs, entscheide ich, welche der beiden Sechsen ich nun zu Waldboden kompostiere und welche Sechs oben liegt. Bekomme ich eine dritte Sechs, muss sie Waldboden werden, und zwar an einer beliebigen leeren Stelle meines Rasters.
Eine Runde endet, sobald jemand sein gesamtes Raster mit offenen Karten oder Waldboden belegt hat. Nach demselben Schema spielen wir drei Runden. Die größte zusammenhängende Gruppe einer Farbe zählt von Runde zu Runde pro Karte mehr Punkte, wird also zunehmend wichtiger.


Pixies: Kartenraster

Was passiert? Ich habe mal mehr, mal weniger Auswahl. Sitze ich in der Reihenfolge ganz hinten, muss ich nehmen, was man mir lässt. Sitze ich vorn, kann ich mit Berechtigung auf eine gute Karte hoffen. Was sich aber nicht immer erfüllt. Manchmal decke ich halt nur Mist auf. Umgekehrt bekomme ich als Letzter manchmal genau das, was ich haben wollte.
Der Auswahlprozess ist nicht trivial. Weil die Karten dreifach gewertet werden, sind viele von ihnen nicht einfach nur gut oder nur schlecht. Die grüne Sechs, die wegen ihrer Symbole vier Minuspunkte bringt, ist die schlechteste Sechs, die es gibt. Man könnte mit einer anderen Sechs – sogar einer grünen – auch einen Pluspunkt bekommen. Aber vielleicht nehme ich die miese Sechs trotzdem, weil sie meine grünen Gebiete verbindet. Ob die bessere Sechs jemals auftaucht und ob ich sie bekomme, weiß ich ja nicht.
Auch das Legen ergibt sich nicht immer von selbst. Bekomme ich eine Zahl zum dritten Mal und muss sie also als Waldboden verwenden, könnte ich diesen – sofern noch frei – auf den Platz der Neun legen. Bekomme ich später eine Neun, bedeutet das, sie zählt schöne neun Punkte. Aber es bedeutet auch: Ich habe bei der Neun keine Wahl mehr. Wenn ich eine bekomme, gehört sie auf diesen Waldboden. Schöner wär’s – theoretisch –, erst mal eine Neun ohne Unterlage zu legen und bei der zweiten Neun entscheiden zu können, welche von beiden Waldboden werden und welche oben liegen soll. Aber Neunen sind selten. Dass ich zwei bekomme, ist deshalb ebenfalls selten.
Ich kann mich beim Sammeln wahlweise mehr auf Symbolpunkte, mehr auf Kartenwerte mit Waldboden oder (vor allem in späteren Runden) mehr auf Farbflächen konzentrieren. Letztendlich gilt es, alles zu beachten und alles unter einen Hut zu bringen. Und letztlich bin ich natürlich sowieso immer davon abhängig, was mir die Kartenauswahl ermöglicht und was nicht.


Pixies: Karten

Was taugt es? PIXIES kommt in meinen Runden überdurchschnittlich gut an, was sicherlich auch an der Grafik liegt. PIXIES benötigt keine Vorbereitung, man ist ständig involviert und trifft Entscheidungen. Für den stationären Fachhandel ist die hübsche kleine Schachtel, die man mal eben so mitnehmen kann und in der ein Spiel steckt, das man guten Gewissens empfehlen darf, sicher ein Treffer.
Nach so viel Positivem stellt sich die Frage, warum ich PIXIES trotzdem nur als solide empfinde. Ein Manko ist die langwierige Abrechnung am Ende jeder Runde, bei der immer wieder Fehler passieren und bei der ich schon einigen Mitspieler:innen helfen musste. Hilfreich wäre ein Schreibblock gewesen, aber weil die umfangreiche Addition viel Platz erfordert, hätte der nicht in die Schachtel gepasst.
Trotzdem ist das nichts, was mir PIXIES verleidet. Das Spiel macht nichts falsch, es gefällt mir durchaus, ich spiele gerne mit. Nur glaube ich eben nicht, dass ich es langfristig spielen werde. PIXIES hat für mich keinen speziellen Kniff, mit dem ich mich dauerhaft auseinandersetzen möchte, es weckt keine Emotionen, die ich wieder und wieder erleben wollte. Warum das so ist, lässt sich schwer mit klaren Argumenten belegen. Es ist halt so, und es ist natürlich auch Geschmackssache. Die Spielidee ist in meinen Augen in Ordnung, aber nicht herausragend.


**** solide

PIXIES von Johannes Goupy für zwei bis fünf Spieler:innen, Pegasus Spiele.

Pirates of Maracaibo

06. September 2024 um 14:45
Pirates of Maracaibo Cover

Einleitung über Bord!

Wie geht PIRATES OF MARACAIBO? Wir fahren mit unseren Schiffen über ein Meer aus Karten. Pro Zug darf ich maximal drei Karten (Felder) weit fahren. Am erreichten Ort führe ich die dort vorgesehene Aktion aus. Zum Beispiel zahle ich Geld, um die ersegelte Karte nehmen zu dürfen. Sie bringt mir einen Sofort- oder einen Dauereffekt. Eine Karte vom gemischten Stapel füllt die entstandene Lücke.
Aktionen können bewirken, dass meine Landfigur auf dem Inselpfad vorwärtsläuft, auf dem erreichten Feld Belohnungen kassiert und am Schluss Punkte entsprechend ihres Vorankommens zählt. Ein anderes Spielkonzept sind Schätze. Bei manchen Aktionen darf ich versuchen, mit drei Würfeln Schätze zu ergattern. Einen der geworfenen Würfel suche ich mir aus. Dessen Würfelpunkte setze ich für verschiedene Belohnungen ein. Wähle ich die Belohnung „Schatz“ (kostet fünf Würfelpunkte), bekomme ich einen Schatz in der Farbe des Würfels. Mit einer späteren Aktion kann ich den Schatz vergraben, wodurch er mehr Punkte zählt und eventuell noch einen Zusatznutzen auslöst.

Pirates of Maracaibo Spielplan

Ein weiteres Konzept sind Quest-Karten. Auch die bekomme ich über Aktionen, und sie definieren Ziele. Habe ich die am Schluss erreicht, gewinne ich Punkte. Außerdem gibt es Residenzen. Das sind Felder im Kartenmeer, zu denen ich segle, um für eine ganze Stange Geld eine zusätzliche Schlusswertung für mich freizuschalten.
Und es gibt das Konzept der Schiffsverbesserung: Auf einigen Meeresfeldern (und teilweise auch auf andere Art) darf ich auf meinem Papptableau, das einen Schiffsrumpf darstellt, ein Upgrade markieren. Das können Einmaleffekte sein. Oder auch Dauereffekte wie zum Beispiel: Wenn ich auf dem Inselpfad gehe, gehe ich ein Feld mehr. Oder beim Würfeln bekomme ich schon für drei Augen einen Schatz.

Was passiert? Trotz des Seeraub-Themas, bei dem man Elemente wie … na ja, zum Beispiel Raub erwarten würde, setzt PIRATES OF MARACAIBO auf Engine Building und Wettlauf und ist damit ein sehr konstruktives Spiel. Jeder Zug bringt mich voran, die Frage ist nur, wie sehr.

Pirates of Maracaibo Schiff

Ist zu Beginn der Partie noch mehr Geldmanagement erforderlich (für teurere Aktionen reicht das Vermögen nicht), ändert sich dies mit wachsendem Einkommen und Reichtum. Immer mehr geht es ums Zeitmanagement. Jeder der drei Durchgänge endet, sobald das schnellste Schiff das Meer komplett durchsegelt hat. Ob insgesamt mehr oder weniger Züge zur Verfügung stehen, hängt also von den Spieler:innen ab. Der entstehende Druck zwingt dazu, sich bei all den verlockenden Optionen auf das Wichtigste zu fokussieren.
Der Meeres-Spielplan wird zu Beginn (nach bestimmten Regeln) zufällig ausgelegt. Im Laufe der Partie ergeben sich anhand der von mir eingeschlagenen Strategie bestimmte Wege, die ich bevorzugt befahre, weil ich dort die gewünschten Aktionen bekomme. Das kann ich noch verstärken, indem ich auf manchen Feldern Plättchen ablege, die mir einen zusätzlichen Nutzen bringen, sobald ich sie ansteuere. Andererseits bleibt das Spielfeld auch immer dynamisch, weil manche Karten herausgekauft und durch andere ersetzt werden.

Was taugt es? Teilweise hadere ich mit PIRATES OF MARACAIBO, vor allem, was die gewählte Symbolsprache angeht. Immer wieder musste ich in der Anleitung nachschlagen, um wirklich sicherzugehen, ob etwas so gemeint ist, wie ich es mir gemerkt hatte, oder so, wie ich es intuitiv verstehen würde. Und wenn ich das Spiel in eine neue Runde mitbrachte, scheiterten meine Mitspieler:innen regelmäßig an genau denselben Stellen.

Pirates of Maracaibo Insel

Ich glaube auch, dass dem Spiel etwas Entschlackung geholfen hätte. Zum Beispiel: Der Wert der Schätze bemisst sich daran, wie viele davon am Schluss noch auf den Meeresinseln liegen. Deshalb muss man einen gewonnenen Schatz immer von einer Insel nehmen. Erst dann funktioniert der Widerspruch: Je mehr Schätze einer Sorte genommen werden, desto geringer ihr Wert. Das Problem ist: Schätze von der Insel zu nehmen, muss man sich antrainieren. Denn automatisch nimmt fast jede:r aus dem Bankvorrat, und teilweise lässt sich die regelkonforme Spielsituation hinterher nicht mehr rekonstruieren.
In der Schlusswertung werden dann sehr große Punktemengen aufsummiert. Das Dreifache oder Vierfache dessen, was man während der Partie sammelt. Ja, ich weiß, auch andere Spiele, zum Beispiel das von mir so sehr geschätzte GREAT WESTERN TRAIL, kennen diese Schlussaddition mit Punkten und Pünktchen aus diversen Quellen. Und dort stört es mich nicht. Vielleicht liegt es am Aufschreibblock, den ich übersichtlicher finde als diverse Umrundungen einer Punkteskala. Oder an den niedrigeren Punktesummen. Es mag meine Faulheit sein: Aber wenn es über 200 oder gar 300 hinausgeht, finde ich die Addition unnötig mühsam. Zumal auch viel Kleckerkram dabei ist.
Schön finde ich den Spielverlauf. Nachdem es recht lange dauert, alles aufzubauen und die vielen Details von PIRATES OF MARACAIBO zu erklären, hat das Spiel selbst dann einen flotten Rhythmus. Die Züge sind nicht kompliziert und meistens schnell abgewickelt. Und vor allem sind sie spannend. Eben weil ich so vieles machen wollen würde – mich aber beschränken muss, um mich nicht zu verzetteln.

Pirates of Maracaibo Karten

PIRATES OF MARACAIBO ist variabel, weil nicht immer dieselben Karten im Spiel sind und nicht immer dieselben nachgefüllt werden. Der Spielplan ist modular. Es gibt etliche Möglichkeiten, um Punkte zu sammeln, und in seinen Grundzügen ist das Spiel obendrein unkompliziert. Lediglich in den absehbar letzten Zügen fangen manche dann doch noch an zu optimieren, und rechnen länger herum, ob es besser wäre, eine Karte mit Symbol XY zu bekommen, weil irgendeine ihrer Schlusswertungen das belohnt. Andererseits brauchen sie auch einen grünen Schatz, um für eine Quest-Karte ein paar Punkte mehr zu erhalten, und wenn es zudem gelingt, die grünen Schätze noch aufzuwerten … und so weiter.
Auch wenn mir eine inhaltliche Klammer fehlt und ich es etwas schade finde, dass wir in PIRATES OF MARACAIBO eigentlich nur Zeugs anhäufen, um es anzuhäufen, macht es mir doch viel Spaß, das Spiel zu erkunden und zu erfahren, wie extrem man bestimmte Strategien spielen kann. Über etliche Partien hinweg bleibt PIRATES OF MARACAIBO interessant. Wenn jemand es spielen will: Ich bin dabei!
Rein auf den Spielreiz bezogen, hatte ich auch das Label „reizvoll“ erwogen. Ich entscheide mich dennoch für „solide“, weil ich das Spiel als nicht gut umgesetzt und redaktionell nicht rund empfinde. Zu viele Begleiterscheinungen stellen Hindernisse in den Weg.


**** solide

PIRATES OF MARACAIBO von Alexander Pfister, Ryan Hendrickson und Ralph Bienert für eine:n bis vier Spieler:innen, dlp games / Game’s Up.

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