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Krakel Orakel

Krakel Orakel: Cover

KRAKEL ORAKEL ist laut Eigenwerbung ein Zeichenspiel für alle, die nicht zeichnen können. Und dies ist laut Eigenwerbung die Einleitung von jemandem, der keine Einleitungen schreiben kann.

Wie geht KRAKEL ORAKEL? Wir malen und raten. Kooperativ. Jede:r zieht geheim eine Karte mit einem Begriff. „Frühling“ etwa. Den soll ich nun visualisieren, indem ich nur auf den vorgegebenen Linien meines Tableaus zeichne, strichle oder punkte.
Wir malen alle gleichzeitig, anschließend werden unsere Begriffskarten mit derselben Anzahl Störkarten zusammengemischt und auf dem Tisch ausgebreitet. Reihum müssen wir jeweils eine aussortieren – in der Hoffnung, dass die richtigen Karten liegenbleiben. Jeder Fehler zählt einen Minuspunkt.


Krakel Orakel: Frühling

Was passiert? Allzu viele Linien zum Bemalen bieten die Tableaus nicht; ein detailreiches Gemälde kann nicht entstehen. Die Anforderung besteht deshalb darin, minimalistisch oder symbolisch zu arbeiten und die Bildaussage aufs Wesentliche zu reduzieren. Wofür steht Frühling? Sonnenlicht und Wachstum. Ich suche auf meinem Tableau: Bilden die vorgegebenen Linien irgendwo die Form einer Sonne? Ermöglichen sie, Baum oder Blume anzudeuten?
Oft gelingen dann doch Bilder, die mich mit einigem Optimismus in die Ratephase gehen lassen. Manchmal nicht. Dann kann ich nur hoffen, dass die anderen, wenn sie schon nicht erkennen, was das sein soll, wenigstens erkennen, was es nicht sein soll. Das erfordert auch etwas Glück, dass tunlichst kein Stör-Begriff aufgedeckt wird, der zu meinem Bild passen könnte. Und den ich natürlich ganz schnell aussortiere, sobald ich an die Reihe komme.

Krakel Orakel: Murmelbahn

Besonders bescheuerte Bilder – auch die eigenen – lassen uns immer wieder laut losprusten. Und selbst das schiefste Gestokel offenbart, wenn man es länger auf sich wirken lässt, meist doch noch seinen Sinn. Grübelt man allerdings zu gründlich, kann sich die Aussortier-Phase in die Länge ziehen. Weil wir jetzt brav nacheinander an der Reihe sind und zwischendurch (um nichts zu verraten) unsere Werke nicht kommentieren dürfen, fällt die Spannung manchmal etwas ab. Insbesondere in großen Runden ist gedanklich viel Arbeit zu verrichten. Spielen wir zu acht, liegen 16 Begriffe aus, die ich mit allen Gemälden abgleichen und im Kopf sortieren muss.

Was taugt es? Wir rätseln, wir interpretieren, wir sind kreativ. Und wir freuen uns über die Kreativität der anderen. Wenn ich die Bildidee einer anderen Person entschlüssele, verbindet uns das. Ich fühle mich wissend, mein Gegenüber fühlt sich verstanden.

Krakel Orakel: Begriffe

KRAKEL ORAKEL ist ein Wohlfühlspiel – selbst wenn man sich beim Malen normalerweise nicht so wohlfühlt. Es kommt auf Ideen und Assoziationen an, nicht darauf, ob ich einen Malstift geschickt führen oder Dinge grafisch akkurat nachempfinden kann.
Die vorgegebenen Linien sind die entscheidende Zutat. Sie schränken einerseits meine Freiheit beim Malen ein. Andererseits inspirieren sie auch. Und sie gewährleisten, dass sämtliche Bilder zuverlässig nach schiefem Gekrakel aussehen und nicht nur die Bilder derjenigen, die auch sonst keinen geraden Strich hinkriegen.
Sogar zu zweit und zu dritt funktioniert KRAKEL ORAKEL überraschend gut. Jetzt muss jede:r gleich zwei Begriffe auf dem eigenen Tableau unterbringen. Das schränkt noch mehr ein und ist für diese Gruppengröße genau die richtige Erschwernis. Insgesamt und vor allem zu viert ist KRAKEL ORAKEL tendenziell etwas zu leicht. Aber man kann auch mit schwereren Begriffen spielen. Und: Es soll ja ein Wohlfühlspiel sein.


***** reizvoll

KRAKEL ORAKEL von 7 Bazis für zwei bis acht Spieler:innen, Topp.

Flip 7

Flip 7 Cover

„Wer knackt die 200?“, fragt die Schachtel. Wenn es um Einleitungen geht, knacke ich nicht mal die Eins.

Wie geht FLIP 7? FLIP 7 enthält Zahlenkarten von eins bis zwölf, die Eins einmal, die Zwölf zwölfmal. Und die Eins zählt einen Punkt, die Zwölf zwölf – falls ich denn Punkte gewinne. Sobald ich eine Zahlenkarte doppelt habe, scheide ich ohne Punkte aus der Runde aus.
Bin ich dran, darf ich mir von der reihum wechselnden Dealer:in entweder eine weitere Karte geben lassen. Oder ich steige aus und bekomme meine Punkte gutgeschrieben. Wer erfolgreich zockt und sogar sieben verschiedene Zahlenkarten sammelt, gewinnt 15 Bonuspunkte. 200 Punkte sind das Ziel.

Was passiert? FLIP 7 ist ein Glücksspiel, fast sogar ein reines Glücksspiel. Der zugrunde liegende Zock (Beute sichern? Oder immer mehr wollen – und eventuell scheitern?) wird wahrlich nicht zum ersten Mal spielerisch ausgetragen. Man kennt dieses CAN’T STOP-Prinzip spätestens seit … CAN’T STOP.
FLIP 7 bricht das Dilemma noch weiter herunter. Jetzt muss man nicht mal mehr würfeln und Zahlen kombinieren. Die Frage ist lediglich: Karte ja oder nein? Ob das Spaß macht, hängt zweifellos mit der Gruppe zusammen, die da gemeinsam am Tisch sitzt: ob alle bereit sind, sich so sehr dem Zufall zu überlassen. Ob sie Schadenfreude empfinden, wenn andere zu gierig sind oder Pech haben. Und ob sie den Frust wegstecken können, falls sie schon nach zwei, drei Karten raus sind, womöglich auch mehrfach hintereinander.

Flip 7 Karten

In seiner Einfachheit ist FLIP 7 gut gemacht. Man kann sich einbilden, nach Wahrscheinlichkeiten zu entscheiden. Oft genug kommen die Zahlenwerte dann leider entgegen der Wahrscheinlichkeit, was bei vielen den Ehrgeiz auslöst, es nächstes Mal besser hinzukriegen – obwohl man ja nahezu keine Eigenleistung erbringt, also im eigentlichen Sinne auch nichts „hinkriegt“. FLIP 7 zu spielen, ist wie am Geldspielautomaten zu stehen und darauf zu hoffen, dass man den Jackpot knackt. Nur ohne Geldeinsatz. Und gemeinsam mit anderen, die genau dasselbe hoffen.

Was taugt es? Dass die wertvollsten Karten zugleich die häufigsten und damit auch die riskantesten Karten sind, ist clever ausgedacht. Und vor allem sind die wenigen Sonderkarten gut abgestimmt. Sie bewirken, dass sich niemand jemals sicher sein kann.
„Freeze“ beispielsweise darf ich gegen andere einsetzen, um sie aus der laufenden Runde rauszukicken. Punkte gibt es dann zwar trotzdem. Aber wenn jemand eine vielversprechende Auslage und womöglich die Karte „Second Chance“ hat (die einmalig eine tödliche Zahl abwehrt), dürfte es für die betroffene Person ärgerlich sein, in dieser Situation eingefroren zu werden. Dummerweise müsste ich „Freeze“ gegen mich selbst einsetzen, wenn ich der letzte verbliebene Spieler bin. Das tut dann doppelt weh.

Flip 7 Sonderkarten

Ähnlich zweischneidige Wirkung hat die Karte „Flip three“. Und mit Bonuskarten könnte ich rein theoretisch einen riesigen Punktesprung schaffen und aus nahezu aussichtsloser Position doch noch gewinnen. Was aber nur sehr selten geschehen wird, zumal die 15 Bonuspunkte für einen „Flip 7“ nicht allzu viel sind.
Abgeschlagene sind neben der extrem geringen Entscheidungstiefe ein Problem in FLIP 7. Es gibt immer wieder welche, die wiederholt schon bei ihrer zweiten oder dritten aufgedeckten Karte ausscheiden, und dann nicht mal wegen einer Elf oder Zwölf, sondern wegen einer Vier oder Fünf. Wenn man erst mal 60 oder 80 Punkte zurückliegt, ahnt man: Da ist nicht mehr viel zu holen.
In meinen regelmäßigen Spielerunden kommt FLIP 7 nicht besonders gut an und wird bestenfalls als lau empfunden. Und wenn ich merke, dass die anderen kein Feuer fangen, macht es mir auch gleich weniger Spaß.
In meinen gemischt zusammengesetzten öffentlichen Runden ist FLIP 7 dagegen oft stärker, spaßiger und viel emotionaler, als man es von diesem bisschen Spiel erwartet hätte. Hier kann jede:r mitspielen ohne Sorge vor zu vielen Regeln oder möglichen Blamagen. Wer verliert, muss sich nicht schämen. Man hat nichts falsch gemacht. Die Karten haben es falsch gemacht.
FLIP 7 ist kein Spiel, das ich aus eigenem Wunsch heraus besonders gerne spiele. Aber ich spiele es besonders gerne mit, wenn ich merke, dass die passende Runde beisammen ist. Und muss dann nicht so tun, als hätte ich Spaß. Sondern empfinde den Spaß.


***** reizvoll

FLIP 7 von Eric Olsen für drei bis angeblich 18 Spieler:innen, Kosmos.

Agent Avenue

Agent Avenue: Cover

Dies ist eine Einleitung. Oder ist es ein Bluff?

Wie geht AGENT AVENUE? Wir verfolgen einander auf einem Rundparcours. Wer sieben Schritte auf die gegnerische Figur gutmacht und die Figur damit einholt, gewinnt die Partie. Schritte gewinne oder verliere ich durch Agenten-Karten. Meine erste „Doppelagentin“ etwa führt dazu, dass ich einen Schritt rückwärtsgehen muss. Die zweite Doppelagentin bringt mich sechs Schritte vorwärts, die dritte und jede weitere wieder einen zurück.
Jede Runde erhalte ich eine Karte. Entweder bin ich der Anbieter. Dann wähle ich zwei meiner vier Handkarten, es müssen verschiedene sein, lege eine offen und eine verdeckt. Mein Gegenüber wählt zuerst aus, und ich muss nehmen, was übrigbleibt. Beim nächsten Mal legt mein Gegenüber aus und ich habe die erste Wahl.

Agent Avenue: Doppelagentin

AGENT AVENUE kann schon nach wenigen Zügen vorbei sein, längstenfalls spielen wir, bis die 38 Karten aufgebraucht sind.

Was passiert? AGENT AVENUE ist ein Bluffspiel. Der Reiz entsteht aus der Spannung, ob ein Bluff aufgeht, und aus der Freude, die Spielpartner:in hereinzulegen. Vielleicht lege ich eine attraktive Karte offen aus, und mein Gegenüber nimmt die verdeckte in der Annahme, sie müsse noch toller sein. Aber: Höhö, ist sie gar nicht. Oder die offene Karte ist mies, aber mein Gegnerüber nimmt sie trotzdem, weil ich doch sicher nicht so dermaßen plump eine gute Karte verdeckt durchschleusen werde. Höhö, genau das mache ich aber.
Umgekehrt versuche ich, das Minenspiel meiner Mitspieler:in zu lesen und das Level ihrer Dreistigkeit abzuschätzen. Ist jemand vorsichtig und bietet zwei etwa gleichgute Karten an? Oder wird da gezockt?

Agent Avenue: Spielplan

Im Bestfall entscheidet auch gar nicht mehr die Psychologie. Sondern ich kann eine Zwickmühle aufbauen. Einige Agenten-Karten schaffen Zwänge jenseits des Laufparcours. Der dritte „Draufgänger“ führt zur sofortigen Niederlage, die dritte „Codeknackerin“ zum sofortigen Sieg. Kann ich eine Codeknackerin anbieten, die meine dritte wäre, und dazu eine Karte, mit der ich meine Mitspieler:in einhole, gewinne ich in jedem Fall.

Was taugt es? AGENT AVENUE ist sehr schön für eine schnelle spannende Runde zwischendurch. Oft werden auch gleich mehrere Runden daraus, weil man eine Niederlage nicht auf sich sitzen lassen möchte.
Dass eine Person teilt und die andere wählt, ist nichts Neues. Die Verbindung mit einem Laufparcours aber verdichtet den Mechanismus sehr gut auf das Wesentliche. AGENT AVENUE ist klar und wunderbar schlank und kommt mit gerade mal acht verschiedenen Agenten-Karten aus. Deren Fähigkeiten sind sehr gut abgestimmt.

Agent Avenue: Karten für Fortgeschrittene

Die Kehrseite der Verschlankung: Man hat bald alles erlebt, was es zu erleben gibt. Die Verläufe wiederholen sich. Aus gutem Grund enthält AGENT AVENUE noch 15 weitere (spaßig illustrierte) Karten für Fortgeschrittene. Davon gewinne ich eine, wenn ich auf einem der vier Eckfelder der Laufstrecke lande. Manche bringen Sofort-, andere Dauereffekte wie „Wenn du sieben unterschiedliche Agenten im Spielbereich hast, gewinnst du das Spiel“ oder „Wenn du genau auf einem der beiden Startfelder ankommst, gehe drei Schritte nach vorne“. So erhöht sich die Zahl der Dinge, die man beachten muss, und die Zahl der Fallen, in die man tappen kann.
Mit kleinen Anpassungen lässt sich AGENT AVENUE auch gut und problemlos zu dritt oder zu viert spielen. Auch dies variiert das Spiel noch mal.
So gelungen ich AGENT AVENUE finde: Nicht allen Mitspieler:innen hat es gefallen. Manche mögen das wiederholte Bluffen schlichtweg nicht. AGENT AVENUE hat davon profitiert, dass ich es mit vielen verschiedenen Personen ausprobieren konnte und mich deshalb auf verschiedene Spielweisen einstellen musste. Dass ich es im Dauereinsatz mit derselben Person spielen wollen würde, glaube ich eher nicht. Es ist sehr konfrontativ und somit nicht das typische Wohlfühlspiel für Wochenende oder Urlaub.


***** reizvoll

AGENT AVENUE von Christian Kudahl und Laura Kudahl für zwei Spieler:innen, Nerdlab.

The Gang

The Gang: Cover

Eine gute Einleitung ist wie ein Royal Flush. Und ähnlich selten.

Wie geht THE GANG? Wir spielen Texas Hold’em Poker. Allerdings kooperativ.
Jede:r bekommt zwei geheime Karten zugeteilt. Fünf weitere (nach und nach werden sie aufgedeckt) liegen in der Tischmitte. Mit fünf der insgesamt sieben für mich sichtbaren Karten bilde ich die bestmögliche Pokerkombination („Höchste Einzelkarte“, „Paar“, „Zwei Paare“, „Drilling“, „Straße“ etc.).
THE GANG verlangt von uns, dass wir unsere Kombination im Verhältnis zu den Kombinationen der anderen Spieler:innen richtig einschätzen. Mit Sternen-Chips signalisieren wir, für wie gut wir unser Blatt halten. Im Spiel zu viert sollte die Person mit der höchsten Kombination am Schluss den roten Chip mit vier Sternen besitzen, die Person mit der zweithöchsten Kombination den roten Drei-Sterne-Chip. Und so weiter.
Chips werden viermal im Spiel vergeben: zuerst weiße Chips, noch bevor eine Karte in der Mitte aufgedeckt wurde. Wer seine zwei Handkarten für aussichtsreich hält, nimmt sich einen Chip mit vielen Sternen. Jemand mit wenig Hoffnung nimmt sich die Eins. Wir dürfen uns Chips gegenseitig wegnehmen. Auch mehrmals. Die Verteilung endet, sobald alle einen Chip haben.
Jetzt decken wir drei Karten in der Mitte auf und rangeln in derselben Weise um gelbe Chips, dann nach einer weiteren offenen Karte um orangefarbene und schließlich nach der fünften Gemeinschaftskarte um die roten. Die Chips der ersten drei Farben dienen nur der Orientierung, die roten entscheiden. Wir decken unsere Blätter auf und gucken, ob es passt.
Gewinnen wir auf diese Weise drei Runden, gewinnen wir die Partie. Geht es dreimal schief, verlieren wir.


The Gang: Situation

Was passiert? Eine Gruppe muss sich erst einspielen, denn was man hier einigermaßen sinnvoll machen könnte, ist nicht so offensichtlich. Einstiegsprobleme kann auch bereiten, dass Poker-Unerfahrene ein Paar als äußerst schwache Kombination ansehen. Tatsächlich ist ein Paar gar nicht so selten das Rundenhöchste.
Wann immer sich mein Blatt durch das Aufdecken von Karten in der Tischmitte verbessert, sollte ich das anzeigen, indem ich mir einen höheren Chip nehme als in den Vorrunden. Genauso sollte ich beobachten, ob andere Spieler:innen das ebenfalls tun, und daraus Rückschlüsse ziehen. Geschieht es bei der vierten oder fünften aufgedeckten Karte, ist klar, dass genau diese Karte der Auslöser gewesen sein muss.
Geschieht es bei den ersten drei Karten, ist die Lage unklarer. Üblicherweise orientiert man sich an Wahrscheinlichkeiten. Wurden eine Vier, eine Fünf und eine Dame aufgedeckt, und die Dame beschert mir ein Paar; und eine andere Person, die vorher mit mir um den kleinsten Chip gerungen hat, streitet plötzlich mit mir um den höchsten (vermutlich weil sie jetzt ebenfalls ein Paar hat), würde ich erst mal davon ausgehen, dass der höchste Chip mir zusteht. Denn ein Damen-Paar ist höher als ein Vierer- oder Fünfer-Paar.
Natürlich ist nicht auszuschließen, dass auch die andere Person ein Damen-Paar hat. Dann tauschen wir vielleicht noch sehr lange die Chips. Was einerseits ein bisschen nervt, andererseits aber mehr Informationen liefert, als wenn jemand sofort aufgibt nach dem Motto: Wenn du den Chip haben willst, dann nimm ihn halt. Musst du ja wissen.
Nein. Man weiß es eben nicht. Wissen entsteht erst, indem wir mittels der Chips interagieren. Das erfordert, dass alle mit Ehrgeiz dabei sind, dass alle mitdenken und sich trauen, Entscheidungen zu treffen, aber auch Einschätzungen wieder zu revidieren.

Was taugt es? THE GANG ist in kleiner Runde einfach und in großer Runde sehr schwer. Deshalb habe ich in großen Gruppen schon viel Ratlosigkeit erlebt, wie man das schaffen soll und wozu. THE GANG macht nicht in jeder Gruppenzusammensetzung Spaß. Man braucht schon eine eingeschworene … ja: Gang.
Thematisch ist THE GANG im Bandenmilieu angesiedelt. Wir knacken Tresore. Auch wenn Tresore üblicherweise Nummernkombinationen haben, erscheint mir die Verbindung zwischen Thema und Mechanik nicht so ganz schlüssig. Sie stört aber auch nicht.

The Gang: Karten

Gelungen finde ich, wie das Spiel abwechslungsreich gehalten und an die Gruppe angepasst werden kann. Dafür gibt es je zehn Spezialisten- und Challenge-Karten, die sich auf verschiedene Weise ins Spiel einbinden lassen und kleine Regeländerungen initiieren, entweder als Bonus oder als Handicap.
Auch wenn es nicht ganz leicht ist, für THE GANG eine geeignete Spielerunde zu finden: Sobald diese beisammen ist, kann man sich an THE GANG regelrecht festbeißen. Die Regelmenge ist überschaubar, die Aufgabe trotzdem herausfordernd. Nach und nach lernt die Gruppe dazu, spielt sich aufeinander ein und kann dann auch Nuancen erfolgreich kommunizieren. Und auch wenn THE GANG an Poker angelehnt ist: Es ist nicht Poker, es ist neu und originell. Denn bluffen sollen wir hier nicht. Ganz im Gegenteil.


***** reizvoll

THE GANG von John Cooper und Kory Heath für drei bis sechs Spieler:innen, Kosmos.

Dorfromantik Sakura

Dorfromantik Sakura: Cover

Das sicherste Mittel gegen Spoiler in der Einleitung ist: gar keine Einleitung. Für meine Leser:innen tue ich alles. Sogar nichts.

Wie geht DORFROMANTIK SAKURA? Wie DORFROMANTIK – DAS BRETTSPIEL. Und wie geht DORFROMANTIK – DAS BRETTSPIEL? So!
Na gut, gewisse Unterschiede gibt es schon. Nicht in den Grundregeln und nicht im generellen Ablauf, aber in Details: Bei DORFROMANTIK SAKURA sind auch die aus DORFROMANTIK – DAS DUELL bekannten Rundum-Aufträge mit von der Partie. Es gibt, wie sich auf dem Kampagnenblock erkennen lässt, eine zusätzliche Kirschblüten-Währung, um Felder abzukreuzen. Und in den nun sechs Boxen mit freizuschaltendem Material stecken andere Plättchen, andere Bauaufgaben, andere Materialien als im Ursprungsspiel.


Dorfromantik Sakura: Spielsituation

Was passiert? Weil sich das Spiel nur in Details ändert, ändert sich auch am Spielgefühl fast nichts. Und das ist gut so, denn DORFROMANTIK ist belohnend und konstruktiv. Gewiss macht man ab und zu weniger Punkte als erhofft (Stichwort: Zeitungsjunge) und darf dann mit der eigenen Performance auch unzufrieden sein, aber verlieren im eigentlichen Sinne kann man nicht. Und wenn man zwei oder drei Partien länger braucht als andere, um alles freizuschalten, dann ist das vielleicht kein neuer Rekord, aber bedeutet auch: Man hat zwei oder drei Mal mehr beim Spielen eine gute Zeit verbracht.
DORFROMANTIK ist ein Spiel zum Wohlfühlen. Auch der Endlos-Charakter trägt zu diesem Gefühl bei. Unsere Welt wächst und wächst und wir sind deren Gestalter:innen. Es kommen immer neue Elemente ins Spiel. Was genau, erfahren wir erst, sobald wir die Sachen freischalten. Insofern sind wir auch ein wenig die Entdecker:innen unserer Welt, auch wenn eine übergeordnete Instanz festgelegt hat, was wir entdecken sollen.


Dorfromantik Sakura: Block

Was taugt es? Wer DORFROMANTIK – DAS BRETTSPIEL noch nicht kennt, sollte damit auch einsteigen. SAKURA ist komplizierter und unübersichtlicher. Aber nicht nur. Für mein Empfinden werden kleinere Hakeligkeiten des Ursprungsspiels weggeschliffen. Auf der anderen Seite kommen auch neue kleine Hakeligkeiten dazu. An manchen Stellen waren wir unsicher, wie die Regeln auszulegen sind.
Auch beim ursprünglichen DORFROMANTIK hatten wir beim Spielen immer mal wieder Möglichkeiten übersehen und Elemente vergessen („Ach ja, wir haben ja noch Herzen, die wir legen können!“; „Oh Mist, das Plättchen vom Lagerhaus hätte viel besser gepasst!“ usw.), in SAKURA ist uns dies noch häufiger passiert. SAKURA enthält mehr Regeln und mehr Dinge, die man parallel beachten muss.
Dadurch ist SAKURA aber nicht das schlechtere Spiel. Sondern es ist die gelungene Fortsetzung eines gelungenen Spiels, die dieselben Qualitäten besitzt wie der Vorgänger. Die Entscheidung, das Spiel etwas umfangreicher und etwas komplexer zu machen, finde ich richtig. Es ist der logische nächste Schritt. Wer hätte denn weniger oder dasselbe noch mal haben wollen? Ich nicht.


***** reizvoll

DORFROMANTIK SAKURA von Lukas Zach und Michael Palm für eine:n bis sechs Spieler:innen, Pegasus Spiele.

7 Empires

7 Empires: Cover

Einleitung? Da habe ich keine Aktien drin.

Wie geht 7 EMPIRES? Wir spielen sieben europäische Großmächte des 18. Jahrhunderts. Wer die wertvollsten Einflusskarten einer Großmacht besitzt, führt – normalerweise – deren Spielzüge aus. Allerdings: Komme ich an die Reihe und alle Nationen, deren Boss ich bin, haben bereits gezogen, darf ich ersatzhalber eine andere Nation ziehen, die noch nicht dran war und deren Anteile ich besitze. Das kommt insbesondere dann vor, wenn ich nur eine oder gar keine Nation anführe.
Die Nationen wollen Machtpunkte generieren. Alle Anteile des bei Spielende mächtigsten Staates werden mit 7 multipliziert. Gewinnt Habsburg, und ich besitze die österreichische Adlige (6) sowie zwei österreichische Bauern (3), sind das schon mal 84 Siegpunkte. Die zweitmächtigste Nation erhält einen Multiplikator von 6 … und immer so weiter bis zur Losernation mit dem Multiplikator 1.
Macht gewinnen die Großmächte, indem sie Territorien besetzen und in einer späteren Aktion („Empire“) werten. Oder mit der Aktion „Palast“ Paläste errichten oder verbessern und sofort auch werten. Zwei der fünf möglichen Aktionen sind aggressiv („Feldzug“ und „Attacke“), mit „Bauen & Rüsten“ rüste ich auf. Jede Aktion, die ich wähle, steht der Großmacht in den anschließenden zwei Runden nicht zur Verfügung.

7 Empires: Situation

Wir starten mit vorgegebenen Aktienpaketen (für jede Spieler:innenzahl gibt es mindestens zwei Varianten) und einer vorgegebenen Startaufstellung. Haben alle Großmächte ihren Zug gemacht, decken wir das nächste der bei Spielbeginn in eine zufällige Reihenfolge gebrachte Runden-Plättchen auf. Meistens besagt es, dass jede:r sich eine weitere Einflusskarte nehmen darf, und in welcher Reihenfolge dies geschieht. Alle Nationenstapel sind vorsortiert. Wer zuerst kommt, kriegt höherwertigere Anteile. Wer später kommt, kriegt nur noch einen Bauern. Oder irgendwann auch gar nichts mehr.

Was passiert? Während die erste Runde meist noch eher gleichförmig verläuft, entwickelt sich bald ein dynamischer Schlagabtausch. Bin ich der Führende in Frankreich und Spanien, wird an der gemeinsamen Grenze dieser Mächte sicherlich einträchtige Ruhe herrschen. Frankreich kann sich bequem nach Norden oder Osten orientieren. Knöpft mir jemand Spanien ab, ist in Frankreichs Süden nun möglicherweise freie Bahn.
Gewiss könnte ich mir ebenfalls spanische Anteile nehmen und den Übernahmeversuch kontern. Aber vielleicht traue ich Spanien langfristig nicht so viel zu. Oder ich finde es gar nicht so schlecht, eine Herrschaft abzugeben, weil ich dann auch mal eine Großmacht ziehen könnte, ohne ihr Mehrheitseigner zu sein. Preußen zum Beispiel, das sich unter meiner Führung plötzlich nach Osten statt wie zuvor nach Westen orientiert.

7 Empires: Anteile

Wenig in 7 EMPIRES ist vorhersehbar. Zu häufig wechseln die Interessen und Allianzen. Zu unsicher sind Gebietsgewinne. Und vielleicht lässt sich jemand, obwohl selbst in Russland investiert, bequatschen und gibt dem vermeintlich übermächtigen Russland eins auf den Deckel. Offensichtlich ist eigentlich nur, dass ich denjenigen Mächten schaden möchte, deren Anteile ich überhaupt nicht besitze. Und selbst das überlege ich mir während der Partie vielleicht noch mal anders, weil es plötzlich Gründe gibt, in die bislang verschmähte Farbe einzusteigen.
7 EMPIRES ist ein hoch interaktives und auch psychologisches Spiel, indem es mit Kategorien wie „mein“ und „dein“ spielt. Nichts ist hier wirklich meins, ich besitze von allem nur Anteile. Allzu sehr sollte ich mich nicht an die mir bei Spielbeginn zugelosten Farben klammern. Genauso wie ich Verluste nicht persönlich nehmen sollte. Vielleicht ergibt es sich, dass Gegner:innen von jetzt Partner:innen von nachher sein werden.
Vieles hängt in 7 EMPIRES vom Timing ab, von der Reihenfolge, in der die Großmächte ziehen, und davon, welche Aktionen sie dann gerade zur Verfügung haben: Ob ich es beispielsweise schaffe, die eroberten Gebiete noch zu werten, oder ob mir ein Großteil vorher wieder abgenommen wird. Oder ob ich im großen Stil aufrüsten kann oder ob jemand kurz zuvor meine Heimatstädte besetzt. Während sich dies teilweise noch planen lässt, ist es schlichtweg Zufall, wer beginnen darf, wenn es gilt, weitere Anteilsscheine zu nehmen. Das kann schon einen bedeutsamen Unterschied machen, wenn etwa nur noch eine letzte Aktie von England im Spiel ist und alle sie haben wollen.

Was taugt es? Schon mehrfach haben mich die Endergebnisse in 7 EMPIRES überrascht. Und mehrfach haben sich die Ränge in den letzten Zügen noch ordentlich verschoben. Weil 7 EMPIRES so interaktiv und so verflochten ist, ist jede Partie wie eine kleine Wundertüte. Das macht 7 EMPIRES sehr spannend. Und auch immer wieder reizvoll, weil es sich nicht so schnell erschöpft.
Die Anleitung hätte für mein Empfinden ein paar Beispiele und Erläuterungen mehr vertragen. Manches ist arg knapp gehalten. Das Material ist sehr wertig. Doch manches wirkt unausgegoren. Neben den Spielplan müssen noch sieben kleine Täfelchen gelegt werden, um pro Nation drei Steine darauf abzustellen. Für jede der Großmächte gibt es eine Materialbox. Doch fürs Verstauen in der Schachtel muss man alles wieder umfüllen; die Boxen eignen sich dafür nicht. Das haben andere Verlage schon besser hingekriegt.


***** reizvoll

7 EMPIRES von Mac Gerdts für zwei bis sechs Spieler:innen, PD-Verlag.

Medical Mysteries: New York

Medical Mysteries New York: Cover

Mittlerweile traurige Normalität: Der Wochenend-Notdienst war überlastet und konnte für diese Einleitung nichts mehr tun.

Wie geht MEDICAL MYSTERIES? Wir sind ein Krankenhausteam und behandeln medizinische Notfälle. Zum Beispiel kommt (im Tutorial) die 53-jährige Luana Kapule in unsere Klinik. Sie klagt über starke Schmerzen und gibt an, bei der Gartenarbeit möglicherweise einen Hitzschlag erlitten zu haben.
Wie bei allen anderen Patient:innen auch – in der NEW YORK-Box gibt es vier weitere – ist unsere wichtigste Aufgabe, das Überleben von Luana Kapule zu sichern. Darüber hinaus sollen wir sie möglichst gut erstversorgen, die Ursachen ihrer Schmerzen herausfinden, die nötigen Maßnahmen ergreifen und die idealen Medikamente verabreichen.
Eine „Zustands-Karte“ zeigt uns, welche Aktionen erlaubt sind. Beispielsweise „Gespräch“, „Urinanalyse“, „Großes Blutbild“, „Ultraschall“, „Antibiotika“, Morphin-Infusion“ und so weiter. Jede Maßnahme führt zu einem Buchstaben-Code, unter dem wir in einem 20-seitigen Heftchen und auf Storykarten nachlesen, was wir erfahren oder bewirkt haben.

Medical Mysteries New York: Tutorial

Nach jeweils drei Aktionen sind im Krankenhaus zwei Stunden vergangen, und wir müssen wieder per Buchstabencode nachsehen, ob sich der generelle Zustand der Patientin verändert hat oder ob neue Wendungen eingetreten sind. Eventuell stehen uns nun andere Maßnahmen zur Verfügung. Oder Maßnahmen bringen ein anderes Ergebnis als noch früher am Tag.
Nach zwölf Aktionen sollten wir unsere Behandlung abschließen und schreiben stichpunktartig ein Protokoll über unsere Erkenntnisse und Empfehlungen. Als Rückmeldung erhalten wir einen Punkte-Score. Unabhängig davon gilt eine Partie als gewonnen, wenn die Patient:innen überleben.

Was passiert? Je nach medizinischer Vorbildung der Spieler:innen kann MEDICAL MYSTERIES lese- und damit arbeitsintensiv sein. Das Spiel enthält fünf doppelseitige Informationsbögen zu Themen wie „Medikamente“, „Blut“, „Tests“, „Herzgesundheit“, „Gehirngesundheit“, „Gynäkologie“. Nicht alles braucht man für jede Partie; man muss filtern.

Medical Mysteries New York: Infotexte

Die Texte vereinfachen die Materie für Spielzwecke natürlich sehr, dennoch stecken sie unweigerlich voller Fachbegriffe. Einiges weiß man möglicherweise auch aus eigener Erfahrung; spezielle Nebenwirkungen oder Gegenanzeigen von Medikamenten gehören aber eher nicht zum Allgemeinwissen. Bevor man irgendwelche weitreichenden Entscheidungen trifft, sollte man sich grundlegend informieren oder zumindest absichern.
Obwohl die Spielhandlung nur aus Lesen, Vorlesen und Diskutieren besteht und das Material nur aus Textkarten und Textblättern mit ein paar Bildern, ist die Immersion enorm. Die fiktiven Patient:innen wirken echt, wir denken uns in ihren Alltag und ihre Verhaltensweisen hinein, wir agieren mit dem Spiel wie mit einem realen Menschen.
Entsprechend hoch ist die Spannung, ob wir mit unseren Maßnahmen richtig liegen, ob wir helfen können, ob wir alles entdeckt haben und sich der Zustand unserer Patient:innen verbessert. Obwohl wir (meistens) alle Zeit der Welt haben, um uns zu besprechen und unsere Entscheidungen zu treffen, überträgt sich der Zeitdruck einer Notaufnahme auch auf uns. MEDICAL MYSTERIES fühlt sich an wie ein Kampf gegen die Uhr. Und wie der Kampf um das Leben unserer Patient:innen.

Was taugt es? Was den Grad der Immersion und auch was wesentliche Spielprinzipien angeht, erinnert mich MEDICAL MYSTERIES an DETECTIVE. Nur eben, dass wir keinen Kriminalfall, sondern einen Krankheitsfall lösen.
Kriminalfälle im Spiel haben den Vorteil, intuitiver zu sein. Um als Ermittler:in die richtigen Schlüsse zu ziehen, benötigt man weniger Vorwissen. Was vielleicht auch daran liegt, dass wir durch Krimikonsum gut trainiert sind. (Und was ich, wenn es denn stimmt, gesellschaftlich bemerkenswert finde: Wir wissen tatsächlich mehr über Verbrechen als über Medizin!?)

Medical Mysteries New York: Patient:innen

MEDICAL MYSTERIES ist also allein schon von seinem Thema her ein spezielleres Spiel als Krimi- oder Rätselspiele. Es wirft zudem die Frage auf, ob man das darf: mit Krankheit spielen. Die persönlichen Hemmschwellen sind da gewiss unterschiedlich.
Ich habe keine Bedenken. MEDICAL MYSTERIES behandelt das Thema seriös, respektvoll und – soweit ich das beurteilen kann – fundiert. Zur Angemessenheit gehört auch, dass wir nicht viele Gelegenheiten bekommen, um Fehlentscheidungen auszubügeln, erst recht keine krassen Fehlentscheidungen. Und natürlich: Es sind keine kreativen Lösungen gefragt. Wir folgen einem vorgegebenen Skript.
Zur hohen Immersion kommt die hohe Originalität. Das Terrain ist spielerisch längst nicht so plattgetrampelt wie Krimi oder Escaperoom. Ich habe jeden einzelnen Fall gerne gespielt und möchte auch weitere Fälle unbedingt spielen. Weshalb ich auch MEDICAL MYSTERIES: MIAMI FLATLINE längst abgeschlossen habe … hiervon allerdings etwas weniger begeistert war.
Es ist sicher nicht leicht, alle Fälle so anzulegen, dass sie für jede Spielegruppe genau passen oder speziell Udo Bartsch gefallen. Und es ist mir auch klar, dass MEDICAL MYSTERIES witzlos wäre, kämen die Patient:innen mit allzu simplen und immer gleichen Anliegen. Das Spiel soll ja einen Rätsel-Charakter haben.
Spielerisch haben sich für mich dennoch die etwas normaleren Fälle besser angefühlt als die teilweise arg speziellen, die selbst ein reales Krankenhausteam vermutlich nicht so oft erlebt. Und solche spezielleren Fälle nehmen in der MIAMI-Box noch größeren Raum ein. Deshalb bin ich nun etwas im Zweifel, ob sich die Reihe zum Dauerbrenner entwickeln kann oder ob das Potenzial schon ausgeschöpft ist.


***** reizvoll

MEDICAL MYSTERIES: NEW YORK von Nicholas Cravotta und Rebecca Bleau für eine:n bis vier Spieler:innen, Kosmos.

Endeavor – Die Tiefsee

Endeavor - Die Tiefsee: Cover

Stille Einleitungen sind tief.

Wie geht ENDEAVOR – DIE TIEFSEE? Wir erforschen das Meer. Ein paar Zonen der oberen Ebenen sind von Beginn an bekannt. Die tieferen Ebenen sind komplett unbekannt.
Ich kann nur in den Zonen agieren, in dem sich aktuell eins meiner U-Boote befindet. Am Anfang habe ich nur ein Boot, es können bis zu drei werden.
Vier Skalen auf meinem Tableau geben meine Fähigkeiten an. In jeder der sechs Runden rekrutiere ich zuerst ein zusätzliches Crew-Mitglied, und meine Skala „Ansehen“ bestimmt, ob ich (wie bei Spielbeginn) nur ein Mitglied der Stufe 1 oder (später) auch eines der Stufen 2 bis 5 wählen darf, die stärker sind.

Endeavor - Die Tiefsee: Crew

Die meisten Crewmitglieder bringen ein Figuren-Einsetzfeld mit. In der Aktionsphase setze ich Scheiben auf diese Felder, um die zugehörigen Aktionen zu aktivieren. Wie viele Scheiben ich pro Runde neu bekomme und wie viele ich von den Crewmitgliedern zurückholen darf (um damit auch das Feld wieder freizuräumen) hängt von meinen Skalen „Motivation“ und „Organisation“ ab. Die vierte Skala schließlich („Genialität“) besagt, wie weit mein U-Boot fahren und wie tief es tauchen darf.
Es gibt nur fünf mögliche Aktionen. Eine lässt mich mein U-Boot bewegen, eine ein neues Spielplanteil entdecken, und allen Aktionen ist gemeinsam, dass sie mir Ressourcen wie etwa zusätzliche Scheiben und / oder Fortschritte auf den Skalen bringen.
Für viele Aktionen muss ich Scheiben in den Ozean einsetzen, was einerseits nachteilig ist, weil ich sie von dort nie mehr zurückbekomme, andererseits und überwiegend aber vorteilhaft, denn diese Scheiben können später noch ein Einkommen bringen und vor allem zählen sie bei der Schlusswertung oft Punkte.

Was passiert? ENDEAVOR – DIE TIEFSEE fängt recht unspektakulär an. In der ersten Runde besitze ich nur drei Scheiben; damit komme ich nicht weit. Die erste Runde ist also schnell vorbei. Zumal alle Aktionen schnell abgewickelt sind.

Endeavor - Die Tiefsee: Tableau

Bald aber besitze ich mehr Scheiben und mehr Crewmitglieder und somit mehr Einsetzfelder. Meine Möglichkeiten wachsen, es kommt zunehmend auf das Timing und auf die Reihenfolge an, in der ich meine Aktionen abwickle. Weil es Wettrennen um Schätze („Tauchplättchen“) und ein Gerangel um Mehrheiten der Ozeanscheiben gibt, reagiere ich auf die Aktionen meiner Mitspieler:innen.
Falls ich reagieren kann. Das hängt natürlich davon ab, ob meine Crewmitglieder mir die Aktionen ermöglichen, auf die es nun ankommt. Weil man das vielleicht nicht im Voraus durchblickt, kann sich herausstellen, dass man eine unpassende Crew ausgewählt oder die falschen Einsetzfelder freigeräumt hat.

Endeavor - Die Tiefsee: Spielplan

ENDEAVOR – DIE TIEFSEE ist ein Spiel ohne große Zufallsfaktoren. Obwohl das Spiel konstruktiv angelegt ist und jede:r sich eine Engine aufbaut, die irgendwie ins Laufen kommt, gibt es eben doch bedeutsame Unterschiede, wie gut und wie schnell das funktioniert. Ich habe es mehr als nur einmal erlebt, dass sich eine Schere zwischen Arm und Reich auftat und auch absehbar war, dass sie sich nicht mehr schließen würde.
Also muss ich mich korrigieren: ENDEAVOR – DIE TIEFSEE fängt nur scheinbar unspektakulär an. Tatsächlich zählt jede Entscheidung. Es gilt, die passende Crew auszuwählen, das Meer und seine Möglichkeiten im Blick zu behalten, schneller zu sein und anderen Spieler:innen Dinge wegzuschnappen und Aktionen so zu optimieren, dass es auf den Skalen effektiv vorangeht. Dort verbessere ich mich nicht mit jedem Schritt, sondern abschnittsweise beim Überschreiten bestimmter Marken. Also will ich nicht wahllos irgendwo vorwärtslaufen, sondern gezielt dort, wo ich realistischerweise noch in derselben Runde etwas freizuschalten hoffe.


Endeavor - Die Tiefsee: Szenario

Was taugt es? ENDEAVOR – DIE TIEFSEE beruht auf MAGISTER NAVIS. Die Grundstruktur beider Spiele ist gleich. ENDEAVOR – DIE TIEFSEE hat das deutlich schönere Thema (Meeresforschung statt Kolonialismus), alle aggressiven Elemente des Originals wurden entfernt. ENDEAVOR – DIE TIEFSEE legt mehr Fokus auf Entdeckungen und auf Variabilität. Viele Meereszonen bringen kleine Mini-Regeln mit, das Spiel enthält acht unterschiedliche Szenarios mit Varianten für Aufbau und Endwertung. Alles lässt sich als Alternative auch kooperativ spielen.
Die Szenarios ändern das Spiel nicht von Grund auf, müssen sie aber auch nicht. Für den Wiederspielreiz macht es tatsächlich einen Unterschied, zu wissen: Da ist noch was, das wir noch nicht ausprobiert haben.
Redaktionell finde ich das Spiel sehr gut gemacht. Es entstehen keine Fragen, die Anleitung und die Symbolsprache sind klar, alles sieht ansprechend aus und ist trotzdem funktionell.
In Relation zur Spieltiefe kommt ENDEAVOR – DIE TIEFSEE mit relativ wenigen Regeln und Spielprinzipien aus. Es ist komplex, ohne kompliziert zu sein. Dadurch fühlt es sich sehr elegant an.
Es ist also ein rundum gelungenes Spiel, und ich habe über die Vergabe des Labels „außerordentlich“ nachgedacht, mich aber, wie man sieht, dagegen entschieden. Dafür empfinde ich beim Spielen dann doch nicht genug Spannung oder Reibung. Das Spiel fließt, alles ist schön und stimmig und klar. Aber eben auch gut berechenbar und erwartbar. Bei mir weckt das nicht die ganz besondere Emotion, auf deren Wiedererleben ich ständig hinfiebere.


***** reizvoll

ENDEAVOR – DIE TIEFSEE von Carl de Visser und Jarratt Gray für eine:n bis vier Spieler:innen, Frosted Games / Board Game Circus.

Faraway

Faraway Cover

Ende.

Wie geht FARAWAY? Wir legen nacheinander acht Karten ab. Der Prozess ist immer gleich: Drei Karten haben wir auf der Hand, eine legen wir. Wer die niedrigste Zahl gelegt hat, wählt zuerst eine neue Karte aus einem kleinen Vorrat. Dann die anderen. So haben wir wieder drei Karten, legen wieder eine und so fort.
Am Ende des Spiels soll die Auslage viele Punkte zählen. Abgerechnet wird aber in einer vorgegebenen Reihenfolge, nämlich von hinten nach vorn: Wir verdecken die ersten sieben Karten wieder und werten zunächst die achte.

Faraway Karten

Die ersten sieben Karten sind – obwohl sie bereits feststehen – für die Wertung der achten noch nicht existent. Das ist aus zweierlei Gründen ein Problem: 1. Viele Karten haben Bedingungen, um überhaupt gewertet zu werden, beispielsweise sollen dafür in meiner Auslage zwei Symbole „Chimäre“ und ein Symbol „Distel“ vorhanden sein. Und je weniger Karten offenliegen, desto weniger Symbole liegen offen. 2. Die meisten Karten zählen einen variablen Punktwert, zum Beispiel drei Punkte für jede gelbe oder grüne Karte. Und solange sieben Karten zugedeckt sind, habe ich sicherlich nicht ganz so viele sichtbare gelbe oder grüne.

Faraway Wertung

Nach Wertung der achten Karte decken wir zusätzlich die siebte Karte auf, werten auch sie, dann die sechste … und so weiter bis zur ersten.

Was passiert? Da die hohen Karten üblicherweise fette Wertungen mit schwierigen Bedingungen verknüpfen, während niedrige Karten Symbole mitbringen, jedoch gar keine oder mickrige Wertungen, wäre es ziemlich logisch, die Karten in absteigender Reihenfolge zu legen, um im Finale erst die Symbole und dann die Wertungen aufzudecken. Bei nur drei Handkarten habe ich jedoch nicht immer die tollste Auswahl und vor allem …
Ich werde belohnt, wenn ich aufsteigend lege! Immer wenn meine aktuell gelegte Karte höher ist als meine Karte davor, erhalte ich eine Bonuskarte („Heiligtum“). Diese Kartensorte wird bei der Wertung niemals zugedeckt und zählt immer mit. Bonuskarten liefern Symbole, Bonuskarten können farbig sein und punkten dann bei Farbwertungen, Bonuskarten können selbst kleine Wertungen auslösen. Bonuskarten ziehe ich einfach vom Stapel. Je mehr Symbole „Hinweis“ in meiner Auslage sind, desto mehr Bonuskarten bekomme ich pro Ziehvorgang zur Auswahl.
Die Logik von FARAWAY ist ohnehin verkehrt herum, die Bonuskarten stellen die Sache nochmals auf den Kopf. Weil Bonuskarten sehr wertvoll sind, versuche ich, möglichst oft aufsteigend zu legen. Damit wächst das Risiko, dass Karten ihre Wertungsbedingungen nicht erfüllen. Was ich aber wiederum durch die Bonuskarten auszugleichen hoffe.
FARAWAY ist ein Zockspiel. Jede Karte, die ich nur deshalb lege, damit sie andere Karten unterstützt, ist eine Karte, die nicht wertet. Ich will aber viele Karten, die werten. Wenn ich noch zwei Symbole „Stein“ benötige, lege ich meistens trotzdem etwas anderes und hoffe darauf, die beiden Steine über Bonuskarten hereinzubekommen. Das kann klappen – oder auch nicht. Entsprechend krass können Spiele durch die Decke oder in die Hose gehen.


Faraway Heiligtümer

Was taugt es? Vielen Mitspieler:innen gefällt FARAWAY. Mir auch. Ich sehe es als schnell runtergespieltes Zwischendurchspiel, dessen Reiz darin besteht, aus wenigen Karten eine kleine Maschine aufzubauen, die einerseits Punkte abwirft und andererseits auch alle dafür nötigen Voraussetzungen mitbringt. Die Schicksalshaftigkeit ist aus meiner Sicht kein Problem, zumal FARAWAY in einer geübten Runde nur 20 Minuten dauert.
Wer die Zielgruppe für FARAWAY sein könnte, kann ich jedoch nicht so klar definieren. Spieldauer und Zufallsanteil sprächen eher für ein Spiel für alle. Die Originalität von FARAWAY baut allerdings Hürden auf. Ich habe Mitspieler:innen beobachtet, denen selbst nach einer vollen Partie inklusive Wertung noch kein Licht aufgegangen war, was in FARAWAY sinnvollerweise zu tun wäre was daran auch nur annähernd Spaß machen könnte.
Zweifellos nutzt sich die Originalität auch ab. Hat man sich eingefunden und die Fallen und auch die Chancen kennengelernt, spielt man schematischer. Man hat erfahren, was geht und was nicht geht, und macht natürlich das, was geht. Und hofft, dass es wieder funktioniert.
Im Rahmen eines derart kurzen Spiels empfinde ich dieses gewohnheitsmäßige Runterdreschen aber nicht als Manko. Denn trotz allem bringt jede Partie Ungewissheit und deshalb immer wieder Spannung: Welche Karten bekomme ich? Kriege ich die nötigen Symbole zusammen? Schaffe ich einen guten Score, womöglich einen neuen Highscore?


***** reizvoll

FARAWAY von Johannes Goupy und Corentin Lebrat für zwei bis sechs Spieler:innen, Kosmos.

Cuzco

Cuzco: Cover

Wenn man aus BORA BORA einfach so CUZCO machen kann, kann man doch sicherlich auch aus einer Einleitung etwas Faszinierendes machen. Ganz bestimmt. Ich jedoch war es nicht, der aus BORA BORA CUZCO gemacht hat. Insofern sehe ich mich auch nicht in der Verantwortung, was das Aufpimpen dieser Einleitung angeht.

Wie geht CUZCO? CUZCO ist die Neufassung von BORA BORA und somit ein Würfel-Einsetzspiel. Pro Runde werfe ich drei Würfel und setze sie ein, um Aktionen auszulösen. Auf ein Aktionsfeld passen mehrere Würfel auch unterschiedlicher Spieler:innen, allerdings muss jede dort eingesetzte Augenzahl niedriger als alle vorherigen sein. Niedrige Würfelzahlen machen mich also flexibler. Höhere Würfelzahlen bringen stärkere Aktionen.

Cuzco: Spielplan

Ein merkliches Thema, das über „irgendwas mit Inkas“ hinausgeht, hat CUZCO nicht, genauso wie BORA BORA kein Thema hatte, das über „irgendwas mit Atoll“ hinausging. Wir wollen im Laufe der Partie mit unserer Figur über den Spielplan laufen, um in den erreichten Orten Federn einzusammeln. Die wiederum benötige ich in bestimmter Kombination, um eine schöne Ladung Punkte einzustreichen. Und: Mit jedem Ort, den meine Figur erreicht, schalte ich einen Platz auf meinem Tableau frei. Diese Plätze brauche ich für rote und blaue Personen-Plättchen, die mir zusätzlich zu meinen drei Würfelaktionen bis zu zwei Bonusaktionen (eine rote und eine blaue) einbringen.
Alle möglichen Teilerfolge werden mit Punkten honoriert. Am Ende des Spiels zählt es Extrapunkte, bestimmte Bereiche komplettiert zu haben, zum Beispiel das Maximum von zwölf Federn zu besitzen. Und regelmäßig am Ende jeder Runde punkte ich, wenn ich eine meiner drei Aufgaben erfülle (wofür ich bestimmte Personen-Plättchen besitzen muss oder bestimmte Karten, oder ich muss bestimmte Orte bereist haben etc.).
Erfülle ich keine Aufgabe, muss ich eine abschmeißen. In jedem Fall bekomme ich eine neue. Und hier ist die Spielreihenfolge sehr wichtig, denn wer zuerst dran ist, wählt zuerst und bevorzugt natürlich solche Aufgaben, die leichter zu erfüllen sind. Die Spielreihenfolge ergibt sich nicht zufällig, sondern wir konkurrieren darum.


Cuzco: Würfel

Was passiert? Auch wenn CUZCO keine wirkliche thematische Klammer hat, ist mechanisch alles dicht miteinander verwoben und logisch aufgebaut. Sehr gelungen ist die Spieler:innen-Fokussierung: Ich will einerseits am Ende jeder Runde eine Aufgabe erledigen. Denn lasse ich auch nur einmal eine aus, geht mir der Schlussbonus für komplette Aufgabenerfüllung durch die Lappen. Und genau diese Schlussboni sind es, die mir auch langfristig und spielübergreifend einen Plan geben: Ich will bestimmte Bereiche komplettieren. Das werde ich nicht in allen sechs Kategorien schaffen. Aber möglichst viele sollen es schon sein.
Gleichzeitig sind die Handlungsmöglichkeiten von Anfang bis Ende sehr knapp kalkuliert. Nur drei Würfelaktionen pro Runde sind fast schon eine Zumutung, insbesondere wenn man nicht immer die Wunschaktionen abbekommt. Oft erreiche ich meine Ziele nur haarscharf oder muss dafür Kompromisse eingehen oder Götterkarten verplempern. Doch genau diese Haarscharf-Entscheidungen machen CUZCO sehr spannend.

Was taugt es? CUZCO ist ein Punktesalat-Spiel. Die Kernidee ist die Würfelmechanik. Um diese Mechanik herum sind verschiedene Schauplätze, die jeweils eigenen Regeln folgen, eng mit einander verwoben. Wir werden in Wettläufe verstrickt, wir konkurrieren um Schritte auf Skalen, wir schnappen uns Boni auf dem Spielplan weg – originellerweise nicht, indem den Bonus abgreift, wer zuerst kommt. Sondern umgekehrt: Wer einen Ort zuletzt bereist, bekommt am Ende Punkte dafür.

Cuzco: Tableau

Die ständigen Aufgaben empfinde ich neben dem trickreichen Würfelmechanismus als die reizvollste Idee in CUZCO. Anstatt nur am Schluss Punkte aufzuaddieren, erhalte ich so schon häppchenweise Belohnungen und bin orientiert, wie gut ich dastehe und wo es hakt. Und ich werde in einen ständigen Kampf um die Reihenfolge verstrickt, um machbare Aufgaben abzubekommen.
Der Würfelmechanismus macht CUZCO interaktiv und konfrontativ. Kleine Zahlen finde ich zwar eher doof, aber immerhin kann ich mit einer eingesetzten Eins andere von einer Aktion ausschließen. Oder zumindest besteht diese Drohung. Wahrscheinlich habe ich Wichtigeres zu tun, als plump destruktiv zu spielen. Aber können sich meine Mitspieler:innen darauf verlassen? Die Würfel in einer vorteilhaften Reihenfolge einzusetzen, erfordert gutes Timing.
Zum Glück ist auch Glück im Spiel. Dafür sorgen schon die Würfel. Und auch was jeweils an Plättchen und Aufgaben im Angebot ist, kann mir fein in die Hände spielen oder auch nicht.
Gegenüber BORA BORA empfinde ich die Endwertung als etwas gerechter und die Götterkarten als etwas ausgeklügelter. Statt fünf Sorten gibt es nun 15. Die richtigen Karten zu erwischen und zum richtigen Zeitpunkt einzusetzen, ist jetzt noch entscheidender.

Cuzco: Material

Aber braucht man CUZCO, wenn man BORA BORA hat? In meinem Fall: nein. Ich bleibe trotz der Verfeinerungen bei BORA BORA. Das liegt daran, dass ich es – offenbar gegen den Trend unserer Zeit – als Nachteil von Spielen empfinde, wenn sie jede Menge Platz verschlingen. Ich brauche keine Unterleg-Tableaus aus dicker Pappe, um darauf den Plättchennachschub aufzustapeln (zumal der dafür vorgesehene Raum seltsam knapp bemessen ist). Ich staple so etwas seit Jahrzehnten sehr erfolgreich auf meiner Tischplatte.
BORA BORA passt problemlos auf meinen Spieltisch, und man kann sogar noch Getränke hinstellen. Und ich habe BORA BORA – im Gegensatz zu manch anderem alea-Spiel – nie als zu gedrängt empfunden. CUZCO benötigt ungefähr die doppelte Fläche. Ich sehe ein, dass dieser Monumentalismus das Konzept der gesamten „City Collection“-Reihe ist und seine Fans hat; meine Bedürfnisse erfüllt das nicht. Nebenbei: Ich finde auch die Materialaufbewahrung in der Box unnötig platzraubend, unübersichtlich und frickelig. Hans im Glück hat da – ebenfalls plastikfrei – ein praktikableres System gefunden.
Auch thematisch hat CUZCO im Vergleich zu BORA BORA nicht gewonnen. Die Materialien heißen jetzt „Khipu-Plättchen“, „Chasqui-Läufer“ oder „Inti-Medaillons“, und der Spielablauf hilft mir nicht, mir darunter etwas vorzustellen. So sind es einfach nur besonders komplizierte Wörter.


***** reizvoll

CUZCO von Stefan Feld für zwei bis vier Spieler:innen, Queen Games.

Darwin’s Journey

Darwin´s Journey: Cover

Im Detail ist es widersprüchlich: Nach AUF DEN WEGEN VON DARWIN dachte ich, Darwin sei immer nur im Kreis gesegelt. Jetzt heißt es: Er fuhr eher geradeaus. Immerhin in einem Punkt sind sich beide Spiele einig: Die gefundenen Tiere gehören definitiv in ein Raster.

Wie geht DARWIN’S JOURNEY? Es ist ein Figureneinsatz-Spiel. Die besondere Idee dabei: Wir bilden die Figuren im Laufe des Spiels aus, wir spezialisieren sie. Angezeigt wird das durch Farbmarkierungen an den Figuren. Manche Felder dürfen nur von Figuren mit (beispielsweise) grünen Siegeln betreten werden. Sollte meine Figur sogar zwei grüne Siegel besitzen, darf ich die Feldaktion auf ihrer höheren Stufe verwenden – sofern sie a) denn schon freigeschaltet und b) noch nicht von einer anderen Figur besetzt ist.
Für Grundaktionen benötigen Figuren nur eine oder gar keine Siegelfarbe. Spezielle Aktionen erfordern Farbkombinationen, vielleicht zwei rote und zwei blaue Siegel. Nebenbei bekommen Figuren mit mindestens drei Siegeln auf den meisten Feldern noch einen Bonus. Und mit vorgegebenen Farbkombinationen aktiviere ich „Besatzungskarten“ (und damit einen starken Einmal-Effekt). Und Punkte bei Spielende zählen die Siegel außerdem.

Darwin´s Journey: Einsetzfelder

Figuren mit Siegeln auszurüsten, ist also eine gute Idee, und das ist auch eine der Grundaktionen. Andere Grundaktionen sind: mit meinem Schiff weitersegeln oder mit meiner Landfigur weiterlaufen. Mit dem Schiff segle ich, um zusätzlich zur Startinsel noch zwei weitere Inseln zu erreichen und dort Landfiguren abzusetzen. Mit der Schiffsreise verbessere ich außerdem meine Konditionen für die fünf Rundenwertungen. Und ab und zu entdecke ich auch ein Exemplar (Tier, Pflanze, Fossil) oder erreiche andere spezielle Felder.
Die meisten Exemplare entdecke ich mit meinen Landfiguren. Einfach indem ich das entsprechende Feld betrete. Auch alle andere Felder sind für Landfiguren sehr attraktiv. Es locken Geldeinnahmen, ich darf mir einen Auftrag auswählen, ich bekomme Ressourcen oder darf Aktionen ausführen, auf die ich nicht näher eingehe, um mich nicht in Details zu verlieren.

Darwin´s Journey: Insel

Entdeckungen darf ich ins Museum bringen, sofern sie dort noch nicht sind. Auch das ist eine Standardaktion, und ich werde dafür belohnt. Exemplare sollte ich zudem auch deshalb entdecken – sogar wenn sie schon im Museum sind –, weil das sowohl bei Rundenwertungen als auch bei Aufträgen gefragt ist. Erledigte Aufträge bringen übrigens nicht nur einfach Punkte, sondern schalten Dauereffekte auf meinem Tableau frei.

Was passiert? Figureneinsatz-Spiele sind immer interaktiv, weil wir uns Felder wegnehmen und typische Überlegungen deshalb lauten: Wohin zuerst, was wollen wohl die anderen? In DARWIN’S JOURNEY ist das Ganze noch etwas konfrontativer und vor allem verwickelter. Die Basisfelder der Grundaktionen nehmen zwar mehrere Figuren auf. Aber es kostet Geld, dorthin zu gehen, wo schon andere Figuren sind. Und Geld kann je nach Szenario sehr knapp sein.
Obendrein sind die Züge reichlich verzwickt. Oft stellt sich gar nicht die Frage, wohin ich mit meiner Figur will, sondern (mangels Ressourcen) wohin ich überhaupt kann. Mag ja sein, dass ich die Eintrittskosten eines Feldes noch berappen kann. Aber durch meine Aktion initiiere ich einen Zusatzeffekt, der wiederum einen weiteren Zusatzeffekt auslöst. Und für diesen zweiten Zusatzeffekt brauche ich weiteres Geld – und das fehlt mir. Oder mein Zug führt dazu, dass ich einen Auftrag erfüllen kann. Was ja schön ist. Aber ich möchte mit dem Auftrag einen besonders guten Dauereffekt freischalten, und das kostet noch mal extra.

Darwin´s Journey: Spieler:innentableau

Und so rechne ich meine Möglichkeiten durch. Und irgendwann komme ich vielleicht darauf, dass mir gar nichts gefällt und dass ich einen bestenfalls mittelmäßigen Zug hinkriege. Aber auch den muss ich noch mal gut durchplanen. Denn er soll mich ja befähigen, wenigstens mit der nächsten Figur einen besseren Zug machen zu können.

Was taugt es? Man sollte sich darauf einstellen, dass DARWIN’S JOURNEY hart und bestrafend sein kann. Mehrfach hatten Personen, die in der Zugreihenfolge hinten saßen, das Gefühl, von Beginn an hinterherzurennen. Die beliebtesten Aktionen sind sofort belegt. Man muss auf etwas anderes ausweichen oder für eine Aktion bezahlen, die andere kostenlos bekommen haben. Das fühlt sich nicht gut an. Erst recht nicht, wenn man im Spielverlauf pleitegeht und Notzüge ausführen muss, um überhaupt wieder ein bisschen Geld zusammenzukratzen.
Durch die extreme Verknappung, die starke Verzahnung und obendrein diverse Ketteneffekte wird DARWIN’S JOURNEY im Spielverlauf immer grübeliger. Das nehme ich hier aber gern in Kauf, weil das System bei aller Komplexität sehr logisch und dicht ist, und es deshalb Spaß macht, in diesem System zu agieren und gute Lösungen zu finden. Die Denkarbeit mündet in befriedigende Spielfortschritte und Belohnungen.
Das könnte man natürlich über jedes komplexe Spiel sagen, auch über solche, bei denen ich den Eindruck habe, sie seien vor allem der Komplexität wegen komplex. DARWIN’S JOURNEY ist da schon hart an der Grenze – aber noch nicht drüber, weil wesentliche Kernkonzepte (Wettläufe auf Inseln, auf hoher See und um freie Plätze im Museum) sehr konkret sind.

Darwin´s Journey: Exemplare

Trotz detailreicher Mechanik empfinde ich DARWIN’S JOURNEY nicht als überladen. Die vielen Elemente tragen dazu bei, um verschiedene Strategien zu ermöglichen und den Spielaufbau variabel zu halten. Die Idee, Figuren zu spezialisieren, ist obendrein mechanisch ungewöhnlich und trägt als Basis das gesamte Spiel.
DARWIN’S JOURNEY ist sehr schön gestaltet, die Symbole sind gut verständlich. Manche sind allerdings zu klein.


***** reizvoll

DARWIN’S JOURNEY von Simone Luciani und Nestore Mangone für eine:n bis vier Spieler:innen, Skellig Games / Thundergryph Games.

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