Lese-Ansicht

Link City

Link City: Cover

Wem erzählt wurde, an diesem Ort sei eine Einleitung geplant, wurde leider gelinkt.

Wie geht LINK CITY? Wir bauen kooperativ eine Stadt. Baumaterial sind 57 beidseitige Ortsplättchen, die „Post“, „Öffentliche Toilette“, „Vinothek“, „Seifen-Manufaktur“, „Katakomben“ heißen. Zu Beginn des Spiels bildet das „Rathaus“ die Mitte der Stadt. Von vier zufälligen Plättchen wird es umgeben.
Das reihum wechselnde Stadtoberhaupt zieht geheim drei Plättchen, um sie irgendwo an die Stadt anzubauen. Unsere Aufgabe als Team ist es, zu erahnen, welche Stellen das Stadtoberhaupt für welches Plättchen wählt. Es kommen immer nur drei Orte in Frage. Denn noch bevor das Stadtoberhaupt seine Plättchen zieht, hat eine andere Spieler:in drei mögliche Bauplätze mit Bauhütchen markiert.
Nachdem das Stadtoberhaupt geheim festgelegt hat, welches Plättchen es wo verbauen möchte, erfahren die anderen, um welche Bauprojekte es überhaupt geht, und diskutieren, ob das Varieté zwischen Busbahnhof und Börse gehört oder ob dort nicht doch der Funkturm besser aufgehoben wäre. Dann müsste das Varieté allerdings zwischen Schule und Börse, was nicht so recht zu passen scheint.

Link City: Situation

Beinahe sicher ist sich die Gruppe indes, dass der Frisör neben die Prunkvilla gehört. Oder doch nicht? Möglicherweise hat sich das Stadtoberhaupt überlegt, bei Unterrichtsausfall lasse man sich gerne frisieren, und die Bewohner:innen der Prunkvilla gehen ins Varieté?
Nach der Auflösung werden alle korrekt erratenen Bauplätze mit den entsprechenden Plättchen bebaut. Alle falsch vermuteten Plättchen kommen in die Peripherie der Stadt, was meist weniger Punkte bringt. Nach sechs Runden gibt ein Score darüber Auskunft, wie gut wir uns geschlagen haben.

Was passiert? Es wird natürlich viel diskutiert. Vor allem thematisch: Was passt wo? Wie würden wir eine Stadt sinnvoll konzipieren? Geschäft neben Geschäft, Verwaltung neben Verwaltung, Lärm neben Gestank und Dreck. Sobald die Stadt wächst, kommen auch räumliche Aspekte hinzu: Was soll in Zentrumsnähe, was an den Rand? Und oft bemühen wir auch Klischees: Wie stellen wir uns die Zielgruppe eines Yogastudios vor, und was bauen wir infolgedessen nebenan?
LINK CITY enthält neben typischen Stadtgebäuden auch einige Exoten (Brettspiel-Café) bis hin zu Nonsens (Superhelden-Hauptquartier), wodurch hin und wieder mit mehr Witz und Fantasie argumentiert wird.

Link City: Lösung

Jedoch: Oft genug stehen die Hütchen leider gar nicht da, wo das Oberhaupt eines seiner Plättchen anlegen möchte; keines passt wirklich überzeugend. Oder es gibt ebenso gute Argumente für die eine wie für die andere Wahl. Und dann entscheidet es sich mehr oder weniger zufällig und die Gruppe entscheidet auch zufällig. Und es ist reine Glückssache, ob das übereinstimmt, und fühlt sich nicht gut an, vor allem nicht bei einer kompletten Nullrunde.
LINK CITY ist betont einfach gehalten. Deshalb gibt es in solchen Flop-Situationen auch keinen Mechanismus, der noch irgendwas retten könnte. Es ist dann eben so, und man kann nur hoffen, dass es in der nächsten Runde besser passt. Unglücklich finde ich auch, dass, wenn man ohnehin schon rät, ein Fehler gleich den nächsten nach sich zieht. Sobald wir ein Plättchen falsch zugeordnet haben, haben wir automatisch noch mindestens ein anderes Plättchen falsch.

Was taugt es? Die Spielidee gefällt mir aufgrund ihrer thematischen Originalität gut. Über Städtebau habe mich noch nicht so oft mit anderen Spieler:innen verständigen müssen. Ich hatte deshalb schon unterhaltsame, interessante und belohnende Erlebnisse mit LINK CITY. Auf der Meta-Ebene erfährt man auch, wie andere aus der Gruppe denken.

Link City: Plättchen

Jedoch liefert LINK CITY diese Erlebnisse nicht zuverlässig. Der Anteil der enttäuschenden und belanglosen, sogar öden Partien war hoch, und ich habe nicht den Eindruck, dass da jeweils nur die falsche Gruppe zusammengekommen war oder dass man mit mehr Übung signifikant bessere Spielerlebnisse hätte. Die starken Schwankungen sind mechanismenbedingt.
Auch grafisch kann LINK CITY nicht an den Tisch locken. Die schmucklose Gestaltung ist zwar funktional, also keinesfalls schlecht. Aber sie ist eben auch weit davon entfernt, einen zusätzlichen Reiz auszuüben oder zusätzliche Freude am Thema zu vermitteln.


*** mäßig

LINK CITY von Émilien Alquier für zwei bis sechs Spieler:innen, Bandjo.

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Für die Krone

Für die Krone: Cover

Ich hatte extra angekündigt, es ist die letzte Einleitung, die ich noch habe. Aber sie wurde mir trotzdem weggenommen.

Wie geht FÜR DIE KRONE? FÜR DIE KRONE ist ein Spiel rund ums Wegnehmen. Der Titel besagt nicht etwa, an welche Instanz die vielen geraubten Rubine gehen. Sondern warum wir rauben: Weil wir die Krone wollen! Dafür ist natürlich jedes Mittel recht. Wer von den 20 Start-Rubinen am Schluss die meisten übrig hat, gewinnt. Unseren Besitz halten wir während des Spiels geheim.
Der Hauptmechanismus ist Gemeinschafts-Deckbuilding. In der Startrunde kaufe ich zwei, in allen anderen Runden eine Karte. Sie und die Karten der anderen Spieler:innen werden mit Ereigniskarten zusammengemischt und dann eine nach der anderen aufgedeckt. Kommt meine Karte zum Vorschein (dass es meine ist, erkenne ich an der farblich markierten Kartenhülle), führe ich ihre Aktion aus.
Vielleicht darf ich mir jetzt einen Rubin nehmen oder eine Münze, vielleicht auch zwei. Darf mich auf der Reihenfolge-Skala nach vorne schieben oder wen anderes zurück. Oder ich darf bestimmen, wer einen Rubin abzugeben hat. Oder wer Waschbären-Marker bekommt. Oder darf den Würfel werfen, der dann anzeigt, was passiert.
Ereigniskarten verfügen, dass die Person mit den meisten Waschbären zwei Rubine verliert (und die Waschbären auch) oder dass alle eine Rubin-Strafe zahlen, sofern sie auf der Reihenfolge-Skala nicht auf den vordersten Feldern stehen. Oder … oder …
Meine Kartenkäufe bezahle ich mit Geld. Habe ich nicht genug Geld, muss ich mit Rubinen zahlen. Der Kartenmarkt ist vorsortiert. Stärkere Karten kosten mehr. Im Laufe der vier Spielrunden werden sämtliche Karten immer billiger.


Für die Krone: Markt

Was passiert? Diesen Markt-Mechanismus empfinde ich als das Beste des gesamten Spiels. Er gewährleistet, dass die stärkeren Effekte einerseits nicht zu früh, andererseits aber rechtzeitig zum Finale auftauchen. Das hilft der Dramaturgie; das Spiel kann bis zum Schluss spannend bleiben.
Zumindest in der Theorie erlaubt der Mechanismus auch die Abwägung, ob ich für viel Geld bewusst eine starke Karte kaufe, um ihren Effekt noch in möglichst vielen Runden nutzen zu können, so dass sich die Investition langfristig rechnet. In der Praxis klappt das aber eher nicht. Im Gegenteil macht, wer stärkere Karten kauft, sich sofort verdächtig und wird zum Feind auserkoren. Dass die Karte sehr teuer gekauft wurde, spielte da keine Rolle.
Womit ich zum Schlechtesten von FÜR DIE KRONE komme: Das Spiel ist komplett destruktiv. Von Anfang bis Ende geht es nur darum, anderen zu schaden und selber möglichst verschont zu bleiben. In einer emotionslosen Runde, wo nüchtern abgewogen wird, wer gerade führt, mag der Verlust alle gleichermaßen treffen. Ich habe das aber nicht so erlebt.
Im Gegenteil entscheiden teilweise außerspielerische Dinge (wer immer gleich heult, wird eher verschont; wer sonst immer gewinnt oder wen man ärgern will, kriegt eins drauf), teilweise entwickeln sich innerhalb der Partie Privatduelle. A hat B etwas weggenommen, also nimmt B nun A etwas weg. Und dann wieder A B und B wieder A, obwohl ziemlich wahrscheinlich C in Führung liegt.

Für die Krone: Truhe mit Erbstück

Es gibt einen kleinen Schutzmechanismus: das „Erbstück“. Das ist ein Riesenrubin im Wert von zehn. Habe ich die Hälfte meiner Rubine verloren und muss das Erbstück einlösen, sage ich das an, und werde nun eventuell ein wenig verschont. Na ja … oder auch nicht.
Man kann das lustig finden, und tatsächlich kenne ich auch Spieler:innen, die unter „Interaktion“ hauptsächlich „Aggression“ verstehen. Ich finde das nicht lustig. Auch nicht, wenn es gleichmäßig und „gerecht“ zugeht. Es ist nichts, was mir Spaß macht, weder als Täter noch als Opfer. Um FÜR DIE KRONE erfolgreich zu spielen, muss ich reinreden, hetzen, manipulieren, instrumentalisieren – also genau das, was ich verabscheue.
Vielleicht bin ich da übersensibel, aber für mich ist die Lehre aus FÜR DIE KRONE: Es geht nur ums Gewinnen, und wie du das machst, ist egal. Gewinnen ist hier nicht die kleine Extrabelohnung nach einer gemeinsamen belohnenden Tätigkeit. Denn unsere Tätigkeit ist ja nicht belohnend. Der Weg ist hier absolut nicht das Ziel.

Was taugt es? Ich mag FÜR DIE KRONE trotzdem nicht „misslungen“ nennen. Es soll so sein, wie es ist. In dem, was es will, ist es weitgehend gelungen. Es entspricht nur absolut nicht meinem Geschmack und dem, was ich in Spielen suche.
Objektiv misslungen sind indes die Kartenhüllen. Sie reißen schnell ein. Zwar liegen einige Ersatzhüllen bei. Aber wollte ich FÜR DIE KRONE intensiv weiterspielen, gingen mir irgendwann die Hüllen aus.
Die Aufmachung von FÜR DIE KRONE hat in meinen öffentlichen Spielerunden schon einige Leute in die Irre geführt. Obwohl etwas schrill, sehen die Comicfiguren nicht direkt boshaft aus. Man denkt, das Spiel könne nett sein. Es ist jedoch das Gegenteil von nett.


*** mäßig

FÜR DIE KRONE von Maxime Rambourg für drei bis fünf Spieler:innen, Repos Production.

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Tauschrausch

Tauschrausch: Cover

Ich weiß nicht, ob heute noch jemand Briefmarken sammelt. Aber Einleitungen schreibt sicher niemand mehr.

Wie geht TAUSCHRAUSCH? Wir sammeln unterschiedlich große Legeplättchen (die Briefmarken). Die Plättchen puzzeln wir nach bestimmten Kriterien auf unser Tableau (das Album).
Zu Beginn jeder Runde werden sehr viele Plättchen (teils verdeckt, teils offen) sowie auch Karten aufgedeckt und in den Markt gelegt. Die genaue Zahl wechselt, zu viert sind es etwa 25. Reihum wählen wir nun Karte oder Plättchen, bis jede:r sechs hat. Von diesen sechs darf ich ein Teil bunkern, die anderen muss ich in zwei Hälften aufteilen und beide Portionen zum Tausch anbieten.
Die Startperson wählt zuerst ein Angebot. Wird eine meiner beiden Hälften gewählt, bedeutet dies: 1. Die andere Hälfte gehört jetzt definitiv mir. 2. Nun bin ich dran, ein Angebot auszuwählen. Nach Abschluss des Tauschreigens platzieren wir alle gewonnenen Briefmarken im Album.

Tauschrausch: Marken

Ich möchte generell Marken mit hohen Punktwerten und Motive meines Sammelgebiets (beispielsweise Tiermotive) ergattern. Zusätzlich gilt in jeder Partie eine andere Schlusswertung (zum Beispiel soll ich viele Marken meines Albums vollständig umbaut haben). Und es gibt vier mögliche Zwischenwertungen (zum Beispiel zählen da Farbsets aller fünf Farben oder es zählen Marken ohne Punktwert, die am Rand liegen). Nach jeder der drei Spielrunden entscheide ich mich für eine andere dieser Wertungen, die vierte lasse ich aus.
Meine gewonnenen Karten können zusätzliche Wertungen definieren (ich punkte nun auch für gelbe Marken) oder sie verleihen mir Extraaktionen, die teilweise sehr mächtig sind. Allerdings – wenn ich die Karte nicht gerade bunkere – kann es natürlich sein, dass sie mir beim Tauschrausch wieder weggenommen wird.


Tauschrausch: Album

Was passiert? Diese Ungewissheit ist das wesentliche Charakteristikum des Spiels. Ich sammle etwas, aber ob ich es behalten darf, erfahre ich erst später. Da ich auch nicht weiß, wer beim Tauschrausch mein Angebot wählt, kann ich kaum zielgerichtet teilen. Allenfalls kann ich mit den verdeckten Plättchen bluffen und es so aussehen lassen, als sei die eigentlich schlechtere Hälfte die bessere. Muss aber nicht klappen.
Mit Spielerfahrung weiß man den Wert der Karten und das Punktepotenzial der Ziele besser einzuschätzen. Deshalb schneiden erfahrene Tauschrauscher:innen üblicherweise besser ab als Novizen, die meiner Erfahrung nach davor zurückschrecken, Karten mit derart viel Text in ihre Überlegungen einzubeziehen, und sich deshalb mehr an den Marken orientieren.
Was übrigens nicht so leicht ist, denn es gibt immer wieder Zweifelsfälle, ob eine Marke zu den Monumenten oder zum Weltraum zu zählen ist. Irgendwann entdeckt man vielleicht, dass auf den Monumenten immer noch ein winziger Text steht, beim Weltraum nicht. Aber auch das ändert nichts daran, dass die Marken zwar sehr schön aussehen, die Spielbarkeit aber nicht gut unterstützen.
Ohnehin ist TAUSCHRAUSCH ein unübersichtliches Spiel. Vermutlich auch teilweise gewollt. TAUSCHRAUSCH ist ein Spiel mit Überinformation, man muss filtern.


Tauschrausch: Spielplan

Was taugt es? Dass man mit vielen Marken hantiert, nicht nur mit fünf oder sieben, passt zum Thema. Wer Briefmarken sammelt, hat üblicherweise viele davon. Mit diesen Marken zu spielen, sie mit Blick auf die Wertungen zielgerichtet zu sammeln und zu puzzeln, ist das, was in TAUSCHRAUSCH Spaß macht.
Auch das unübersichtliche und etwas chaotische Zwangstauschen ist ein Element, mit dem ich mich arrangieren kann, zumal es TAUSCHRAUSCH von anderen Legespielen abhebt. Unnötig diffus wird TAUSCHRAUSCH aber durch all das, was noch im Spiel enthalten ist und auf mich so wirkt, als sei man während der Entwicklung der hoffnungsvollen Maxime gefolgt: Je mehr wir reintun, desto reizvoller wird’s.

Tauschrausch: Karten

Stimmt aber nicht. Je mehr man reintut, desto komplizierter wird’s. Die vielen Karten mit den langen Texten müssen von allen gelesen und verstanden werden. Da sie in der Anleitung nicht vollständig erklärt sind, muss man sich teilweise über die Auslegung einigen. Aktionskarten bringen für einige Personen noch mehr Regeln ins Spiel. In jeder Runde gilt zusätzlich ein Ereignis. Und besondere Marken wie „Raritäten“ und „Dauermarken“ funktionieren auch noch mal anders als die normalen Marken. Vom Kern des Spiels führt das immer weiter weg.
So ist das in Summe zwar unterhaltsam, aber auch diffus und konturlos. Der Aufwand, TAUSCHRAUSCH zu spielen, ist hoch. Man macht viel, doch es entsteht wenig Flow. Vom Grundansatz her hätte TAUSCHRAUSCH ein Spiel für alle werden können. Detailreichtum und Regelmenge machen es aber zu einem Spiel nur für erfahrene Spieler:innen.


*** mäßig

TAUSCHRAUSCH von Paul Salomon für eine:n bis fünf Spieler:innen, Feuerland / Stonemaier Games.

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Australis

Australis: Cover

In die Weltmeere wird schon so viel eingeleitet, da will ich mich nicht auch noch beteiligen.

Wie geht AUSTRALIS? Irgendwas mit Ökosystem: Wir siedeln Korallen an, wir sammeln Fische, unsere Schildkröten liefern sich ein Wettrennen. Typisch der Ostaustralstrom eben, wie wir ihn kennen.
Im Detail: Reihum bedienen wir uns in einem Würfelpool. Blaue Würfel bringen meine Schildkröte voran, mit violetten Würfeln setze ich Korallen ein, gelbe Würfel geben mir Fische und weiße verschaffen mir Karten, die fortan eine bestimmte Würfelfarbe für mich aufwerten. Beispielsweise macht bei jedem von mir gewählten gelben Würfel nun auch meine Schildkröte einen Schritt nach vorn.
Höhere Augenzahlen sind grundsätzlich besser: mehr Schritte für die Schildkröte, mehr Fische und so weiter. Und weil die höheren Augenzahlen natürlich früher genommen werden, lohnt es sich, auch mal den roten Würfel zu nehmen, der mich zum Startspieler der kommenden Runde macht.
Der rote Würfel bringt ansonsten keinen sofortigen Effekt. Aber blaue, violette und eben der rote Würfel haben noch einen Zusatznutzen: Sie lassen mich am Ende der Runde beim Würfelduell mitmachen. Hier würfeln wir über mehrere Durchgänge eine große und eine kleine Belohnung aus. Je mehr Würfel ich in das Duell einbringe, desto besser sind meine Chancen.


Australis: Spielplan

Was passiert? Für all das gibt es am Ende jeder der fünf Runden Punkte. Die Schildkröte punktet für ihre zurückgelegte Wegstrecke. Damit die Fische punkten, benötige ich Futtersteine. Je mehr Fische, desto mehr erforderliche Steine, aber auch umso mehr Punkte. (Futter kann ich übrigens mit der Schildkröte sammeln oder bei Würfelduellen gewinnen. Die Fischwertung ist nicht sehr eingängig und muss von mir während einer Partie üblicherweise mehrfach erklärt werden. Unter anderen verwirrt, dass man weder Futter noch verhungerte Fische jemals abgeben muss.)
Punkte zählen auch die Korallen. An jedem der sechs Korallenriffe gibt es eine Mehrheitswertung. Merkwürdigerweise ist die höchste Wertung (die beim Achter-Riff) am wenigsten umkämpft. Denn zum Achter-Riff komme ich zunächst nur mit einer violetten Acht. Kann ich glücklich eine solche Acht schon in der ersten Runde ergattern, und kommt dann eine Weile lang keine weitere Acht mehr, kassiere ich mehrere Runden lang kampflos die Mehrheitsbelohnung.
AUSTRALIS ist eben ein Würfelspiel und hat demzufolge mit Glück zu tun. Das ist auch bei den Würfelduellen unübersehbar. Ich kann versuchen, mit möglichst vielen Würfeln ins Duell zu gehen, und ich kann meine Duellwürfel mit Karten sogar noch aufwerten – und gegen alle Erwartung kann ich trotzdem als Erster ausscheiden und nichts bekommen. Auch mehrfach in Folge.

Was taugt es? AUSTRALIS sieht hübsch aus, ist aber definitiv kein thematisches Spiel, sondern eine reine Konstruktion. Die Mechanismen sind interessant kombiniert. Die Würfelauswahl ist spannend und erfordert Abwägungen. Mit den Kartenverstärkungen bekomme ich immer mehr kleine Zusatzbelohnungen, verschaffe mir also Kettenzüge. Grundsätzlich kann ich versuchen, mir eine Art Engine aufzubauen – oder mit rein kurzzeitigen Effekten die Punkteflucht nach vorn anzutreten. Ich kann mich mal mehr auf die Fische fokussieren, mal mehr auf die Korallen, sammle also nicht immer dasselbe.

Australis: Tableau

In meinen Spielegruppen kommt AUSTRALIS überdurchschnittlich gut an. Allerdings wird es da von den meisten Personen auch nur ein oder zwei Mal gespielt. Ob es nach weiteren Partien immer noch so beliebt wäre, weiß ich deshalb nicht. Ich habe mehr Partien gespielt – und für mein Empfinden hat der Reiz von AUSTRALIS nachgelassen. Solange bei der Würfelauswahl nicht zu gründlich gegrübelt wird, trägt zwar der Spannungsbogen. Doch Charakter hat das Spiel nicht. Man darf sich schon fragen, was man da inhaltlich eigentlich spielt. Und wird sich schwertun, eine Antwort zu finden.
Auch mechanisch baut AUSTRALIS wenig Langzeitreiz auf. Bei zu vielen Partien bleibt hinterher das Gefühl, das letzte Würfelduell oder die Duelle insgesamt hätten über die Platzierungen entschieden. Ich finde es nicht grundsätzlich schlecht, wenn Würfelduelle Spiele entscheiden. Doch wenn diesem Entscheid sehr viele andere Elemente mit sehr viel Regelwerk vorweggehen, trägt das auf Dauer nicht dazu bei, diese anderen Elemente vertiefter erforschen zu wollen.


*** mäßig

AUSTRALIS von Alessandro Zucchini und Leo Colovini für zwei bis vier Spieler:innen, Kosmos.

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Die drei Kolosse

Die drei Kolosse: Cover

Hah, ich werde hier auf keinen Fall meine supertolle Einleitung spoilern!

Wie geht DIE DREI KOLOSSE? Im fiktiven Örtchen Nottheim geschehen merkwürdige Dinge rund um drei riesige Steinskulpturen, genannt die „Kolosse“. Wir – in der Rolle von Wissenschaftler:innen – wurden herbeigerufen, um den Fall zu untersuchen und aufzuklären.
DIE DREI KOLOSSE ist ein Rätselspiel mit ausgeprägtem Hörspiel- und auch Videoanteil. Es bindet uns ein, indem wir immer mal wieder Dialoge mit verteilten Rollen vorlesen müssen. Sind wir nicht exakt fünf Personen, muss jemand dabei mehrere Rollen übernehmen bzw. kriegt keine ab. Nicht so schlimm.
Das Spiel enthält 18 verschlossene Briefumschläge, die auf bestimmte Stichworte oder sonstige Anweisungen hin geöffnet werden dürfen. Drin befindet sich sehr viel und sehr vielfältiges Material: Zeitungsschnipsel, Prospekte, Bieruntersetzer, Broschüren, Fotos, Polizeiakten, Buchseiten, Karten, Tabellen und so weiter und so weiter. Das alles müssen wir sichten, um die Rätsel zu lösen und so die Geschichte voranzutreiben.
Nach drei Kapiteln, die jeweils etwa zwei Stunden dauern und nicht am Stück gespielt werden müssen, sind alle Rätsel gelöst und der Fall aufgeklärt.

Was passiert? Mehr als viele andere Escape-Spiele erzählt DIE DREI KOLOSSE eine Geschichte und mehr als in vielen anderen Escape-Spielen sind wir Teil dieser Geschichte. Die professionell gemachten und mit Bildern unterlegten Hörspiele schaffen viel Atmosphäre.
Es macht Spaß, sich das anzuhören, weil die Geschichte mit Humor und Augenzwinkern erzählt wird. Wie sehr man eintaucht und sich gefangen nehmen lässt, ist sicherlich von Gruppe zu Gruppe unterschiedlich. Mir wurde es, je weiter DIE DREI KOLOSSE voranschritt, zu lang. Viele Dialoge verlangsamen das Tempo und bringen die Geschichte nicht weiter. Vor allem wird die Geschichte für mein Empfinden immer abstruser. Nachdem alles zunächst so professionell wirkt, hätte ich auch beim Storytelling ein hohes Niveau erwartet. Das hat sich nicht erfüllt.

Die drei Kolosse: Umschläge

Sehr positiv fällt hingegen das mit spürbarer Liebe zum Detail gestaltete Material auf. In DIE DREI KOLOSSE steckt offenbar viel Handarbeit. Zettel beispielsweise hat, damit wir sie zerknickt vorfinden, extra irgendjemand zerknickt. Die Vielfalt der Materialien ist beeindruckend. Hier und da sind kleine Gags eingebaut. Die Arbeitszeit, die Autor und Verlag in dieses Spiel gesteckt haben, muss enorm gewesen sein.

Was taugt es? Diese Liebe und Hingabe, die man beim Spielen wahrnimmt, wertet das Spiel auch auf. Man mag es deshalb ein bisschen mehr. Oder möchte es zumindest mehr mögen. Wenn ich aber rückblickend in mich hineinhorche, ob ich einen potenziellen zweiten Teil spielen wollte, lautete die Antwort trotzdem nein. Leider nein.
Noch mehr als an den Längen und der für mich unbefriedigenden Story-Entwicklung liegt das an den Rätseln. Keines davon hat bei mir diesen schönen Aha-Moment auslösen können, der entsteht, wenn man merkt, wie der Groschen langsam fällt.
Viele Rätsel sind eher Fleißaufgaben. Ich empfand es beispielsweise als lästig, in dem Wust von Material, der sich irgendwann vor uns auftürmt, noch einmal alte Dokumente suchen und dann durchforsten zu müssen, weil plötzlich und zusammenhangslos der vierte Buchstabe des Vornamens einer Nebenfigur gefragt ist.
Die Rätsel liegen nach meinem Empfinden fast immer ein kleines Stück daneben, was den Schwierigkeitsgrad, die Klarheit der Aufgabenstellung und das richtige Maß an Hilfestellung angeht. Deswegen sind sie weniger befriedigend oder gar begeisternd als in anderen Rätselspielen.


*** mäßig

DIE DREI KOLOSSE von Johannes Lorenzen für zwei bis sechs Spieler:innen, PD-Verlag.

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Humanity

Humanity: Cover

Um 9:17 Uhr am Morgen des 15. Juli 2073 landen die Schiffe des Humanity-Programms auf Titan. So behauptet es der Schachteltext. Und ich gelobe: Wenn das tatsächlich so eintritt, spendiere ich postwendend um 9:18 Uhr eine Einleitung!

Wie geht HUMANITY? In HUMANITY sind wir schon auf Titan (das ist ein Mond des Saturn) und bauen unsere Basis auf. Logischerweise arbeitet die Menschheit auch im Jahr 2073 noch gegeneinander, folglich entstehen konkurrierende Basen. Und es ist ebenfalls klar, dass es um Punkte geht. Wozu sonst haben wir uns auf diesen irre langen Weg gemacht?
HUMANITY ist ein Figureneinsetzspiel. In jedem Zug benutze ich eine meiner bis zu drei aktiven Figuren. Sie kann entweder auf meiner Basis bleiben und dort Rohstoffe produzieren. Oder ich investiere Rohstoffe und kaufe ein weiteres Modul für meine Basis. Dazu muss ich die Figur ans zentrale Rundtableau stellen, genau an den Ort, wo das erworbene Plättchen liegt.

Humanity: Spielplan

Das ist deshalb von Bedeutung, weil die Figuren nicht automatisch bei Rundenende zurückkehren. Abhängig davon, welche und wie viele Module wir kaufen, dreht sich der Gelenkarm des Tableaus bei Rundenende mehr oder weniger weit. Alle Figuren, an denen er vorbeifährt, dürfen zurück. Um meine Figur schnell zurückzubekommen, möchte ich also tendenziell Module kaufen, die nah am Dreharm liegen. Nur ist eben nicht gesagt, dass das die Module sind, die mir weiterhelfen. Oder dass ich sie bezahlen kann. Oder dass man sie mir lässt.
Die Module bringen andere und bessere Rohstoffe. Oder sie zählen Punkte, wofür ich die Module in einer bestimmten farblichen Anordnung bauen muss. In HUMANITY gibt es zwei Sorten Punkte: neben den „echten“ Siegpunkten zusätzlich solche („Forschungspunkte“), die zunächst nur meinen Marker auf einer Skala vorantreiben. Am Ende jeder der drei Runden wird die Position aller Marker (wie weit bin ich insgesamt gelaufen und wie viele Personen habe ich hinter mir gelassen?) in Siegpunkte umgerechnet, und alle Marker starten wieder bei Null.
Zugleich konkurrieren wir um das schnelle Erfüllen von in jeder Partie anderen Zielen: Ich soll mindestens drei lila Module haben oder fünf Module in einer waagerechten Reihe oder auf meinen Plättchen sollen sich vier Methan- oder Bioplastik-Symbole befinden.

Was passiert? HUMANITY enthält einige Wettlaufelemente: Ich will den anderen bestimmte Plättchen wegschnappen, ich will Ziele zuerst erreichen. Hilfreich wäre da eine Einschätzung, was die Konkurrenz aktuell so kann.

Humanity: Basis

Jedoch: Wer wie viele Rohstoffe besitzt, wird ähnlich wie in DIE SIEDLER VON CATAN – DAS KARTENSPIEL (bzw. CATAN – DAS DUELL) auf den Plättchenrändern von Produktionsmodulen angezeigt. Erhalte ich einen Eis-Rohstoff, drehe ich das Eis-Produktions-Modul um 90 Grad, und es zeigt nun eine Ressource mehr an. Die Produktionsmodule verteilen sich relativ beliebig über meine gesamte Basis. Den Überblick über meine Rohstoffe zu behalten, ist umständlich. Will ich auch noch die Vorräte der Konkurrenz abchecken, muss ich lange herumsuchen.
Der klar interessanteste Kniff des Spiels ist das Figurenmanagement. Setze ich eine Figur ein, um ein Plättchen zu kaufen, zahle ich nebst Rohstoffen auch mit der Ressource Zeit. Muss ich eine oder gar mehrere Runden auf die Figur verzichten, gehen mir mögliche Aktionen durch die Lappen. Ob sich das lohnt, ist eine spannende Abwägung.

Was taugt es? Einerseits ist HUMANITY strategisch. Die Anordnung meiner Module konzipiere ich wegen der Ziele mit langfristigem Plan. Kommt eine Figur vom zentralen Tableau zu mir zurück, muss ich sie vorausschauend platzieren, denn genau an diese Stelle müsste ich später das Modul bauen, falls ich diese Figur für einen Kauf entsende. Spielfehler werden spürbar bestraft.
Andererseits ist vieles auch Zufall. Wer die Ziele zuerst erfüllen kann, ist teilweise Glückssache. Es kann schlichtweg davon abhängen, wann die benötigten Teile ins Spiel kommen und wer dann den ersten Zugriff hat. (Kleine Einschränkung: Ja, ähnlich der längsten Handelsstraße in CATAN können einem die erworbenen Ziel-Urkunden wieder abgejagt werden. Aber: Wer sie zuerst hat, ist erst mal im Vorteil.)
Trotz Gemecker würde ich HUMANITY nicht als misslungen bezeichnen. Die Elemente greifen gut ineinander, der Figureneinsatz wird durch die zeitverzögerte Rückholung auf interessante Weise variiert.
Allerdings bringt diese kleine Neuerung nun auch nicht so viel Zusatzreiz, dass es mich zu weiteren Partien verlockt. Der Spielablauf ist gleichförmig, die Handhabung umständlich. HUMANITY fühlt sich überwiegend sattsam bekannt an. Es bietet zwar einiges für den Kopf, aber wenig für Herz und Bauch.

Humanity: Experimente

Die nüchterne, blasse Gestaltung unterstützt das Spiel nicht gut. Sie passt lediglich gut zum nüchternen, blassen Spiel. HUMANITY ist längst nicht so aufregend, wie es uns die Hintergrundgeschichte samt beiliegendem Büchlein mit fiktionaler Story und historischen Informationen suggerieren möchte. Die Rohstoffe heißen zwar mal nicht Holz und Stein, sondern Insekten und Bioplastik; mechanisch aber knüpft nichts an die Sci-Fi-Spielgeschichte an.
Warum bei einem so durchschnittlichen und so wenig thematischen Spiel so viel Aufwand betrieben wird, um es mit aufwendig gemachtem Beibuch besonders thematisch erscheinen zu lassen, ist mir ein Rätsel.


*** mäßig

HUMANITY von Yoann Levet für zwei bis vier Spieler:innen, MM-Spiele.

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Wunder der Welt

Wunder der Welt: Cover

Nachdem in WUNDER DER WELT bereits 21 Wunder verbraten wurden, wäre eine Einleitung zu viel des Unfassbaren gewesen.

Wie geht WUNDER DER WELT? WUNDER DER WELT ist ein Legespiel. Wir platzieren Monumente. Und wir platzieren unterschiedlich geformte Stadtteile: weiße Wohnviertel, blaue Bildungsviertel, orangefarbene Handelsviertel und so weiter. Jeder Stadtteil führt (wegen seiner Symbole) zu Fortschritten auf einer oder mehrerer meiner Skalen. Auf lange Sicht bedeutet das: Punkte. Insbesondere, wenn ich alle Bereiche gleichmäßig entwickle.
Pro Runde liegt ein Teilevorrat aus. Alle Teile kosten Geld; je größer die Grundfläche, desto teurer. Bin ich am Zug, wähle ich ein Teil und baue es entweder angrenzend an ein farblich identisches Legeteil oder angrenzend an eine Straße ein.
Alternativ darf ich eines der ausliegenden Monumente kaufen. Jedes hat unterschiedliche Bedingungen, wie es platziert werden muss. Machu Picchu soll an grüne Stadtteile angrenzen, das Trojanische Pferd an einen weißen und eine Straße. Wunder kosten grundsätzlich mein restliches vorhandenes Geld. Für Wunder will ich also nicht nur einen passenden Bauplatz vorbereiten. Ich will obendrein erst dann kaufen, wenn ich nahezu pleite bin.

Wunder der Welt: Tableau

Eine Runde endet, wenn alle ihr Geld ausgegeben haben. Wir spielen maximal zehn. Am Ende punkten die Skalen, die Monumente, alle Stadtteile, die komplett umschlossen sind, sowie obendrein bestimmte Felder (die seltsamerweise „Rohstoffe“ heißen), sofern man sie nicht überbaut hat.

Was passiert? Wie in vielen anderen Legespielen auch will ich also kompakt bauen. Obwohl Straßen manchmal die Voraussetzungen für Monumente sind und obwohl sie hilfreich sind, um Lücken zu schließen, will ich mit Straßen eher geizen, denn Geld, das ich für Straßen ausgebe, fehlt mir für Stadtteile. Und schließlich sollen die Stadtteile nicht nur von ihrer Form her gut passen, sie sollen auch die gewünschten Symbole mitbringen, damit ich auf den Skalen gleichmäßig vorankomme.

Wunder der Welt: Wunder

Ob das alles so funktionieren kann, hängt von der Auslage ab. Von jeder Form kommt pro Runde ein Teil ins Spiel; welche Farben und Symbole es mitbringt, ist aber Zufall. Noch mehr Zufall herrscht bei den Monumenten. Sie haben sehr unterschiedliche Grundrisse und Baubedingungen. Für manche:n passt es, für andere nicht. Oft entsteht gar kein wirklicher Wettlauf auf diese Bauten, weil klar ist, wer sie überhaupt nehmen kann und wer nicht.

Was taugt es? Die Puzzleaufgabe in WUNDER DER WELT ist durchaus knifflig, wenn auch unspektakulär. Am außergewöhnlichsten sind die Miniaturen aus Holz. Jedes Monument kommt als modellierte 3D-Figur daher. Die Gestaltung des Pappmaterials fällt dagegen sehr ab.
Die originelle Kostenregel für Monumente könnte der Kniff des Spiels sein – wären die Monumente planbarer und wertvoller. Meiner Erfahrung nach lohnt es sich nicht, den Monumenten hinterherzujagen und für ihre Errichtung große Umstände zu machen. Besser baut man sein Territorium solide auf und wartet auf dazu passende Monumente, die (hoffentlich) kommen werden.

Wunder der Welt: Modelle

Außer den Holzmodellen könnte ich kein Alleinstellungsmerkmal des Spiels nennen. Offenbar geht es schlichtweg um die Optik der Figuren, nicht um ihre Geschichte, Bedeutung oder Funktion. Ein thematisch überzeugender Grund, warum wir eine Stadt mit zig Monumenten aus verschiedenen Zeitaltern bauen, hat sich mir nicht erschlossen. Die meisten Platzierungsregeln der Monumente sind komplett aus der Luft gegriffen. Mal halt neben Lila, mal halt neben Grün. WUNDER DER WELT wirkt wie um die Holzmodelle herumkonstruiert.



*** mäßg

WUNDER DER WELT von Zé Mendes für eine:n bis fünf Spieler:innen, Kobold Spieleverlag / meeplebr / Mundus.

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Lumicora

Lumicora Cover

Meinen Einleitungen geht es wie den Korallenriffen: Einst strahlten sie in Farben, mittlerweile herrscht nur noch graue Tristesse.

Wie geht LUMICORA? LUMICORA ist ein Legespiel, bei dem die Legeteile auch gestapelt werden. Mit Dominos bauen wir Korallenriffe. Alle Dominos zeigen eine Zahl zwischen eins und sechs. Auf ihrer anderen Hälfte zeigen die Einser-, Zweier- und Dreier-Dominos ein Tier, die höheren Dominos nichts.
Wenn ich in die Höhe baue, komme ich nicht umhin, Dominos teilweise zu überdecken. Tendenziell möchte ich, dass große Zahlen und Tiere sichtbar bleiben. Um kleine Zahlen ist es meistens nicht schade. Oft stören sie sogar. Jede der vier Korallenfarben darf ich einmal während der Partie werten. Dann zählt in jeder Ebene diejenige sichtbare Zahl mit dem niedrigsten Wert.

Lumicora Korallen

Je höher mein Riff wächst, desto mehr Ebenen kann ich also werten. Im Widerspruch dazu belohnt die Schlusswertung Ausbreitung in der Fläche. (Und die Tiere zählen am Ende auch noch Punkte.)
Ungewöhnlich sind die Regeln, nach denen wir unsere Bauteile bekommen. Bin ich am Zug, spiele ich eins meiner Teile in die Mitte (wo schon andere Teile liegen) und wähle dann (üblicherweise) von dort bis zu drei Teile einer anderen Farbe. Diese muss ich nun verbauen. Ich baue also (üblicherweise) kein Teil aus meinem Vorrat, sondern hoffe auf ein schönes Angebot in der Mitte.

Was passiert? Ich muss mein Riff genau planen, damit ich nichts überbaue, was nicht überbaut werden soll. Ich muss gut haushalten, denn ab einer gewissen Riffgröße muss ich jede weitere Ausbreitung mit Kalksteinen bezahlen. Ich muss abwägen, was ich in die Mitte spiele. Ein Geschenk für die Konkurrenz soll es möglichst nicht sein. Und ich muss meine Wertungen gut timen und abschätzen, wann ich eine Farbe als abgeschlossen betrachte, um mich in meinen restlichen Zügen auf anderen Farben zu konzentrieren.

Lumicora Legeteile

Es gibt also einiges zu bedenken, allerdings verheddern sich viele meiner Mitspieler:innen schon an anderer Stelle. Sowohl das Nehmen als auch das Legen der Teile folgt gekünstelten Regeln, was während der Partie immer wieder zu Nachfragen führt. Und auch mehrmals zu denselben Fragen, obwohl sie schon beantwortet waren. LUMICORA geht nicht in Fleisch und Blut über. Vielfach musste ich korrigierend eingreifen.
Normalerweise müssen gleiche Korallenfarben zueinander benachbart oder aufeinander gelegt werden. Manchmal geht das aber nicht, und dann muss man es auch nicht. Und wiederholt wird dabei vergessen, dass nur Plättchen auf derselben Ebene als benachbart gelten. Intuitiv wird Sichtbarkeit als Kriterium für Nachbarschaft angenommen und eine gelbe Koralle in Ebene eins neben eine gelbe Koralle in Ebene zwei gelegt. Manche Spieler:innen verwirrt auch, dass man trotz der Pflicht, ein Teil in die Mitte zu legen, keins von dort nehmen muss, sondern durchaus auch eins aus dem eigenen Vorrat verbauen darf.
Dass ich meine Bauteile (üblicherweise) aus der Mitte bekomme, führt zu einer hohen Abhängigkeit von Mitspieler:innen und Nachfüllsack. Mit Glück bekomme ich eine Vorlage serviert und kann drei Plättchen auf einmal ergattern. Oder ich sehe schon vorher: Oh, da liegt mal wieder nichts Brauchbares für mich. Ab und zu gibt es die Möglichkeit, den Vorrat auszutauschen. Trotzdem fühlt sich der Erwerb der Spielsteine bei LUMICORA oft ungerecht an.

Lumicora Wertungsplan

Im Finale steigt die Schicksalshaftigkeit noch, weil ich zwei oder drei Farben schon gewertet habe und dringend auf Teile der anderen Sorten hoffe. Perfekt ist es dann, wenn ich es so gedeichselt habe oder es sich so ergeben hat, dass ich nun Farben brauche, die die anderen Spieler:innen nicht mehr brauchen.

Was taugt es? Die grundlegende Bau- und Puzzleaufgabe in LUMICORA empfinde ich als reizvoll. Sie ist jedoch mit weiteren Mechanismen verknüpft, die erstens unintuitiv sind und zweitens nichts Wesentliches zum Spielreiz beitragen.
Das sehr schön gestaltete und sehr schön ausgestattete LUMICORA will gewiss kein Spiel für Einsteiger:innen sein; es richtet sich an ein geübteres Publikum. Insofern darf es ein paar Regeln mehr haben – wenn sie das Spiel verbessern. Bei LUMICORA habe ich jedoch den Eindruck, die Regularien ergeben sich nicht aus einer Folgerichtigkeit, sondern aus der Hoffnung, ein paar Ecken und Kanten erhöhten den Spielreiz.


*** mäßig

LUMICORA von Rita Modl für zwei bis vier Spieler:innen, Deep Print Games / Pegasus Spiele.

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Intarsia

Intarsia: Cover

Hätte ich mir jetzt mit Gewalt eine Einleitung ausgedacht, sie wäre mit Sicherheit hölzern geworden.

Wie geht INTARSIA? INTARSIA ist ein Legespiel mit besonders schönen Holzornamenten. Alle Ornamentteile kosten entsprechend ihrer aufsteigenden Wertigkeit eine, zwei, drei oder vier Karten derselben Farbe. Der Clou des Spiels ist, dass ich direkt nach dem Bauen neue Karten meiner Wahl nehmen darf, allerdings eine weniger, als das Teil gekostet hat, und in einer anderen Farbe. Mit jedem Bau treffe ich also auch schon eine Festlegung für kommende Bauaktivitäten.

Intarsia: Tableau

Es gibt natürlich Legeregeln (alles muss aneinandergrenzen, Ornamente müssen von außen nach innen gebaut werden), aber weniger diese Vorgaben schränken mich ein, sondern mehr meine Kartenhand. Ich muss zielgerichtet sammeln, um die nötige Kartenmenge einer Farbe zusammenzubekommen; ein allzu buntes Blatt will ich vermeiden.
Jede Bauaktion kostet mich unter dem Strich eine Karte. Kombiniere ich meine Karten gut, kann ich mit meinen zehn Karten pro Runde zehnmal bauen. Muss ich auf den Notbehelf zurückgreifen, eine fehlende Farbkarte durch zwei beliebige andere zu ersetzen, werde ich einmal weniger bauen. Denn kostet etwas nominell drei Karten, erhalte ich trotzdem nur zwei neue, selbst wenn ich vier oder mehr Karten eingesetzt habe.
Niemand würde ein Parkett verlegen, gäbe es keine Punkte dafür. Also gibt es Punkte: Die Zwischenwertungen belohnen, dass ich mich auf meiner Legefläche ausbreite, die Schlusswertung, dass ich mich auf wenige Ornamente konzentriere und sie komplettiere. Zwischen diesen beiden Extremen liegt die dritte Wertungsmöglichkeit: „Werkzeugplättchen“.
Solche Plättchen enthalte ich, wenn ich einen bestimmten Baufortschritt als Erster oder Zweiter erreiche, beispielsweise soll ich zwei rote Ornamente begonnen oder bei drei gelben Ornamenten schon mindestens bis zum zweiten Teil gekommen sein. Bereits gesammelte Plättchen punkten erneut, sobald ich ein weiteres mit demselben Werkzeugsymbol erhalte.

Intarsia: Werkzeuge

Es wäre also naheliegend, immer auf Plättchen der Sorten abzuzielen, die ich schon besitze. Aber genau das ist nicht so einfach, weil ich jedes Plättchen eines Werkzeug-Sets mit einer andere Baufarbe gewinne. Während also Zwischen- und Endwertung sture Zielgerichtetheit belohnen, erfordern die Werkzeuge Flexibilität.

Was passiert? INTARSIA hat einen klaren Rhythmus. Ich baue, ich nehme Karten, und vielleicht werte ich dann noch. Wegen des Wettrennens auf die Werkzeugplättchen beobachte ich auch die Baufortschritte der anderen, um nicht versehentlich Ziele anzupeilen, die andere voraussichtlich schneller erreichen. Oder um mich zwischen zwei Baumöglichkeiten für die dringendere zu entscheiden. Mit schwindenden Baukarten verringern sich meine Möglichkeiten aber. Oft ist schon für mehrere Züge klar, welche Kombination ich spiele und welche Karten ich mir dann nehmen werde und was ich dann spiele.

Intarsia: Karten

Sachte durchbrochen wird dieses Schema durch einen Rondellmechanismus. Baue ich für vier Karten, darf ich mir nicht irgendwelche drei Karten nehmen, sondern ziehe mit der gemeinsamen Figur einen oder zwei Schritte auf dem Rondell weiter. Das erreichte Feld bestimmt, welche drei Karten ich nun bekomme. Hier das Passende zu erwischen, erfordert Timing – sofern mir Timing möglich ist. Irgendwann muss ich meine Viererkombination nun mal spielen, selbst wenn es gerade nicht so gut passt. Der gemeinsam gesteuerte Spielstein auf dem Rondell ist ein winziger Chaosfaktor in diesem ansonsten nahezu zufallsfreien Spiel.

Was taugt es? Positiv ist mir aufgefallen, dass in INTARSIA höchst unterschiedliche und auch extreme Strategien zum Erfolg führen können. Allerdings erlebe ich wenig Spannung dabei, diese Strategien zu spielen. Egal, ob ich auf maximale Ausbreitung oder vollendete Ornamente spiele: Es fühlt sich immer schematisch an, INTARSIA verläuft gleichförmig und höhepunktarm. Damit kommt es tatsächlichem Parkettbauen vermutlich näher als AZUL dem tatsächlichen Fliesenlegen.
Letztendlich spielt das Thema nur eine untergeordnete Rolle. INTARSIA ist auf Unvollkommenheit angelegt, niemand wird sein Parkett bis zum Spielende auch nur annähernd fertigbauen. Das ist auch gar nicht das Ziel. Mit dem hübschen Material unternehmen wir wenig. Wir legen es lediglich auf exakt vorgegebene Orte des eigenen Spieltableaus. Denn die schönen Holzteile sind nur Anzeiger. Man hätte das Spielkonzept auch wesentlich weniger aufwendig umsetzen können, beispielsweise mit Pyramidenebenen.
Natürlich ist es in dieser Umsetzung viel schöner. Und vielleicht stand die Idee dahinter, ein Erfolgsrezept zu wiederholen: Nachdem uns Michael Kiesling in AZUL mit sehr hübsch gestalteten Kunststoffteilen Wände fliesen ließ, sind nun und mit wunderbaren Holzteilen die Fußböden an der Reihe.
Mechanisch haben AZUL und INTARSIA aber nicht viel gemeinsam. Und auch der Spielreiz klafft auseinander. In AZUL wäge ich ab, bin hin- und hergerissen, spekuliere und hoffe. In INTARSIA plane ich eher emotionslos vor mich hin. Ich spiele meinen Stiefel runter.


*** mäßig

INTARSIA von Michael Kiesling für zwei bis vier Spieler:innen, Deep Print Games / Pegasus Spiele.

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Path of Civilization

Path of Civilization: Cover

Manche sagen, vorm Essen soll man nichts trinken. Für mich gilt: Vor Essen soll man keine Einleitung schreiben.

Wie geht PATH OF CIVILIZATION? Wir spielen Zivilisationen. Jede startet mit denselben fünf Technologien (Karten). Jede Runde verwende ich vier dieser Karten, um entweder farbige Marker zu generieren oder um auf fünf Farbskalen zu klettern. Die fünfte Karte lege ich für den Rest des Spiels ab.
In der nächsten Runde besitze ich trotzdem wieder fünf Karten, denn gegen Ende jeder Runde kaufe ich eine neue und bezahle mit Skalenschritten: für eine grüne Karte (Kultur) mit Schritten auf der grünen Skala, für eine gelbe (Wissenschaft) mit Schritten auf der gelben und so weiter. Je mehr Schritte ich bezahle, desto mehr Punkte zählt die gekaufte Karte und (vor allem) desto mehr Marker oder Skalenschritte wird sie mir bei ihrer zukünftigen Verwendung einbringen.

Path of Civilization: Karten

Meine Marker setze ich ein, um aus einem variablen Vorrat Anführer- (kosten violette Marker) oder Wunderkarten (kosten graue Marker) zu kaufen. Auch hier gilt: Je mehr irgendwas kostet, desto mehr kann es. Anführer:innen bringen – grob gesagt – Dauereffekte, die solange gelten, bis ich eine neue Anführer:in installiere. Wunder bringen Marker, Skalenschritte und Punkte.
Die meisten Runden enden mit einem Stärkevergleich. Viermal im Spiel vergleichen wir unsere militärische Stärke: Zu meiner Grundstärke addiere ich meine angesammelten roten Marker (die dann verloren gehen). Je nach Abschneiden gewinne ich Prämien. Aber niemandem wird, obwohl sich das Prozedere „Schlacht“ nennt, etwas zerstört oder weggenommen.
Und viermal im Spiel vergleichen wir, wer von einer bestimmten Symbolsorte auf seinen Karten wie viele besitzt. Hierbei werden gelbe Marker addiert. Eine Formel bestimmt dann meine Belohnung. Geht es etwa um die Herausforderung „Xuanzang-Übersetzung“, ergibt die Summe aus Kultursymbolen und gelben Würfeln meinen Punkteertrag, und für jeden zweiten Punkt bekomme ich zudem einen Skalenfortschritt bei Wissenschaft.


Path of Civilization: Tableau

Was passiert? Es kommt in PATH OF CIVILIZATION oft auf Kleinigkeiten an. Bei der Xuanzang-Übersetzung wäre es schöner, einen geraden Punktwert zu erreichen, sonst geht mir ein halber Skalenfortschritt durch die Lappen.
Und auf den Skalen will ich möglichst die Werte vier, sieben oder zehn erreichen. Denn so viel kosten die Technologien der Stufe zwei, drei und vier. Bei einem Stand von sechs zu kaufen, wäre suboptimal. Die bessere Karte habe ich haarscharf verfehlt. Und ich müsste nun über längere Zeit Skalenschritte sammeln, um mir überhaupt mal wieder eine konkurrenzfähige Karte dieser Farbe kaufen zu können. Und im Vergleich zur besseren Karte habe ich nun eine, die mir Runde für Runde einen Marker oder Skalenschritt weniger einbringt.
Da sich vieles in PATH OF CIVILAZATION vorab ausrechnen lässt, rechnet es, wer will, eben aus. Viele Dinge können wir parallel erledigen; so entstehen zum Glück keine langen Wartezeiten. Doch bei der Skalen- und Klötzchen-Optimiererei zum punktgenauen Erreichen bestimmter Schwellenwerte kommt nie das Gefühl auf, ein Thema zu spielen. Zwar sind die Karten nach historischen Personen, Ereignissen oder Bauwerken benannt, doch bleiben sie abstrakt und austauschbar. Der Zusammenhang zwischen Fähigkeit und Name der Karte ist üblicherweise sehr gering.
Auch was sich „Kultur“ oder „Wissenschaft“ oder „Spiritualität“ nennt, ist nur irgendeine von mehreren Währungen, die sich von den anderen Währungen hauptsächlich durch eine andere Farbe unterscheidet. Obwohl man zunehmend mehr Marker und mehr Skalenschritte gewinnt, hat man nicht den Eindruck, eine geschichtliche Entwicklung zu erleben.


Path of Civilization: Rundenvergleich

Was taugt es? PATH OF CIVILIZATION wirkt wie der Versuch, ein ohnehin schon sehr abstrahiertes Zivilisationsspiel wie THROUGH THE AGES stark zu vereinfachen und damit noch weiter zu abstrahieren. Das Thema ist dabei nahezu komplett verloren gegangen und existiert überwiegend in den Benennungen und Bildern.
Auf der Schachtelrückseite prahlt der Verlag noch sehr damit, wie aufregend und bedeutend sein Spiel doch sei. In der Anleitung klingt das dann gleich viel nüchterner: „PATH OF CIVILIZATION ist ein Nationenverwaltungsspiel, bei dem die Spieler darum kämpfen, die meisten Siegpunkte zu erzielen.“ Das trifft es ziemlich gut, wobei mir vor allem der Begriff „Verwaltungsspiel“ gefällt.
Die Anleitung als solche ist übrigens sehr gut, sehr klar, sehr detailliert, und obwohl die Symbolik wirklich gelungen ist, überlässt der Verlag nichts dem Zufall (also den Interpretationen der Spielenden), sondern spendiert jeder einzelnen Karte eine ausführliche Erläuterung. Diesen Service wünschte ich mir in allen Spielen.
Die Mechaniken von PATH OF CIVILIZATION sind durchaus schlüssig und elegant. Mir gefällt auch, dass jede Partie eine etwas andere Ausrichtung und Gewichtung hat, weil immer nur ein zufälliger Teil aller Karten enthalten ist. Was dem Spiel jedoch sehr fehlt, ist eine Seele.


*** mäßig

PATH OF CIVILIZATION von Fabien Gridel für eine:n bis fünf Spieler:innen, Captain Games.

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The Great Split

The Great Split: Cover

Fun Fact: Tatsächlich war ich schon mal in Split, und selten fand ich eine Stadt so großartig. Aber ich glaube, mit dem Spiel hat das jetzt gar nichts zu tun.

Wie geht THE GREAT SPLIT? Es geht ums Teilen. In jedem der sechs Durchgänge teile ich nach taktischen Erwägungen meine Kartenhand in zwei Portionen. Beide gebe ich im Uhrzeigersinn weiter. Die Person links von mir wählt eins der beiden Angebote und gibt das andere an mich zurück.
Gleichzeitig bekomme ich von rechts zwei Kartenkombis, von denen ich eine nehme und eine zurückgebe. Nach dem Tauschprozess ist mein Blatt also etwa zur Hälfte wie vorher, die andere Hälfte ist neu.

The Great Split: Kartenteilung

Nun setze ich alle meine Karten ein, um Markierungssteine auf meinem Tableau voranzuschieben. Smaragd-Karten bringen Schritte auf der Smaragd-Skala, Buch-Karten Schritte auf der Buch-Skala usw. Jede Ressource punktet in Zwischen- und Endwertungen auf etwas unterschiedliche Weise. Generell ist es vorteilhaft, sich auf bestimmte Ressourcen zu konzentrieren statt alles ein bisschen zu sammeln.

Was passiert? Das Einsetzen der Karten ist (abgesehen von ein paar Wahlmöglichkeiten) reines Abarbeiten. Seinen Reiz entfaltet THE GREAT SPLIT einen Schritt vorher: beim Teilen und Auswählen. Natürlich will ich möglichst viel für mich. Und oft will ich auch bestimmte Karten. Mein Blatt so aufzuteilen, dass ich zufrieden bin mit dem, was zurückkommt, ist eine knifflige Gratwanderung.

The Great Split: Karten

Es hilft, wenn ich abschätzen kann, auf was die Person links von mir hofft. So kann ich vielleicht zwei Pakete schnüren, von denen jeweils eines uns beiden gefällt – aber auch nicht zu sehr gefällt, schließlich will ich niemanden (außer mir) zum Sieg verhelfen. Ausrechnen kann man die optimale Teilung nicht. Zumal die Erfahrung zeigt: Nicht immer wird so gewählt, wie ich es erwarte.
Übrigens sind die Skalen endlich. Es kann durchaus vorkommen, dass man irgendwo hinten gegenprallt. Das sollte möglichst erst unmittelbar vor Spielende passieren. Denn sonst mache ich mich ausrechenbar. Wenn ich Smaragde nicht mehr verwenden kann, ist offensichtlich, dass ich Angebote mit Smaragd-Karten wohl kaum nehmen werde.


The Great Split: Tableau

Was taugt es? Obwohl das Teilen und Hin- und Herschieben von Karten ein interaktiver Vorgang ist und ich dabei beachten sollte, was meine Nachbar:innen so sammeln, fühlt sich THE GREAT SPLIT nicht sonderlich interaktiv an. Ich bin viel mit meinen eigenen Karten und meinem eigenen Tableau beschäftigt. Und mit Spieler:innen, die weiter weg sitzen, habe ich keine Berührungspunkte.
Auch das kaum erkennbare Thema (angeblich sammeln wir Kunst) bewirkt, dass sich THE GREAT SPLIT nüchtern und abstrakt spielt. Wir tauschen halt Karten und verschieben Klötzchen auf Skalen. Immerhin sind es schöne Karten und schöne Skalen. Die zurückhaltende Gestaltung von THE GREAT SPLIT im Stil des Art déco finde ich sehr ästhetisch.
Im Gegensatz zu vielen anderen Spielen mit Kartenweitergabe (7 WONDERS etwa) bleiben die Karten über mehrere Durchgänge hinweg aktiv im Spiel. Nachdem ich meine Karten für Skalenschritte eingesetzt habe, nehme ich mein Blatt wieder auf und spiele mit den meisten dieser Karten weiter. Nur vergleichsweise langsam kommen neue und stärkere Karten in den Umlauf und schwächere verschwinden.

The Great Split: Startcharaktere

Diese Eigenheit von THE GREAT SPLIT bewirkt, dass manche Karten gar keine großen Wege zurücklegen und immer in derselben Ecke bei immer denselben Spieler:innen festhängen, weil sie hin- und wieder zurückgeschoben werden. Das ist mechanisch interessant, aber für den Spielreiz kaum erheblich. THE GREAT SPLIT fehlt Emotion, in meinen Runden hat es nur optisch Eindruck hinterlassen.


*** mäßig

THE GREAT SPLIT von Hjalmar Hach und Lorenzo Silva für zwei bis sieben Spieler:innen, Horrible Guild.

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Djinn

Djinn: Cover

Dschinn Tonic, Dschinngis Khan oder Dschinn des Lebens? Die Einleitung scheitert diesmal daran, dass ich mich zwischen mehreren überragenden Wortspielen für keins entscheiden kann.

Wie geht DJINN? Wir fangen Dschinns. Um das tun zu können, benötige ich eine Flasche in der Farbe des Dschinns und einen Korken als Verschluss. Und ich muss auf meinem Weg über den Spielplan einem Dschinn begegnen (was meistens kein Problem ist, denn an jedem zweiten Feld lungern welche herum) und die erforderliche Magiestärke besitzen, um ihn zu überwältigen.
Der Spielplan zeigt ein Netz aus Orten und Wegen. An jedem Ort habe ich die Wahl zwischen zwei oder drei Richtungen, in die ich gehen kann (rückwärts darf ich nicht). In jedem Zug entscheide ich mich für einen Weg und führe anschließend die Aktionen des erreichten Ortes aus.

Djinn: Spielplan

Es gibt sechs Orts-Typen, jeder ist zweimal auf dem Spielplan vorhanden, einmal in einer stärkeren und einmal in einer schwächeren Version. Grundsätzlich erreiche ich von schwachen Orten nur starke und von starken nur schwache, so dass meine Züge abwechselnd einträglicher und weniger einträglich sind. An den starken Orten begegne ich außerdem Dschinns. Fange ich nicht mindestens einen von ihnen, kassiere ich eine Strafe.
Ohne ins Detail gehen zu wollen, bringen mir die Orte unter anderem die benötigten Flaschen oder Korken oder ich kann meine Magiestärke ausbauen. Vieles muss ich mit Geld oder Schriftrollen bezahlen, weshalb mir manche Ortsaktionen Geld oder Schriftrollen verschaffen. Manche Orte bringen mir langfristige Verbesserungen: „Ausrüstung“ verleiht mir Fähigkeiten, die andere Spieler:innen nicht haben. „Geheimgänge“ werten schwache Orte für mich auf.


Djinn: Dschinns

Was passiert? An der Dschinnjagd hängt ein erstaunlicher mechanischer Rattenschwanz, wenn man bedenkt, dass man eigentlich nur Flasche und Korken benötigt. Das eine kriege ich hier, das andere da, und zwischen diesen Aktions-Orten liegen noch andere, die mich aktuell vielleicht gar nicht so interessieren, aber an denen ich trotzdem erst mal anhalten und irgendwas tun muss.
In DJINN kommt es also darauf an, nicht nur meine Ressourcen, sondern auch meine Route zu optimieren. Ein dynamisches Element sind dabei die Dschinns. Oft bin ich auf ganz bestimmte Farben aus (wegen der Wertung oder weil ich nicht für jede Farbe die passende Flasche besitze), und wenn die nicht auf meiner Lieblingsroute zu bekommen sind, gerate ich ins Grübeln.
Sobald eine Dschinngruppe erst mal auf zwei Exemplare geschrumpft ist, lassen sich mit vergleichsweise geringem Magieaufwand zwei Dschinns gleichzeitig fangen. Ein derartiges Schnäppchen könnte mich ebenfalls veranlassen, von meiner eigentlich geplanten Route abzuweichen.


Djinn: Tableau

Was taugt es? In DJINN baue ich mir einen großen Apparat auf. Das Spielsystem leitet mich dahin. Erstens weil parallel diverse Währungen (Geld, Schriftrollen, Magie, Schlüssel) benötigt werden und ich meine Vorräte immer wieder aufstocken muss. Zweitens weil ich nun mal den Wegen folge, zwangsläufig alle Orts-Typen irgendwann mal besuche und so auch in allen Töpfen rühre, die es so gibt. Wenn auch unterschiedlich erfolgreich, haben in meinen Partien alle Spieler:innen ungefähr dasselbe gemacht.
Wegen der vielen Elemente enthält DJINN viele Kleinregeln. Zwar werden sie grafisch so gut wie möglich unterstützt, dennoch wirkt vieles auf mich unnötig verkomplizierend. Die vielen Elemente erfordern auch viel Material. Es dauert, bis bei Spielbeginn alles an seinem Ort ist.
Und zumindest mir ging es so, dass ich nach etwas Spielpause einige Regeln bald wieder vergaß und mir DJINN tatsächlich mehrfach neu erarbeiten musste. Das ist sicher auch der Anzahl verschiedener Spiele geschuldet, die ich im Laufe eines Jahres so spiele. Aber nicht nur. Es gibt Spiele mit klaren Leitideen, aus denen sich die weiteren Regeln logisch ergeben. DJINN gehört nicht dazu. Es wirkt auf mich mechanisch aufgebauscht.
Gestört hat mich überdies ein Regeldetail, das sicherlich mit Hintergedanken und vielleicht deshalb im Spiel ist, um die Interaktion zu erhöhen: Ziehe ich zu einem besetzen Ort, darf ich den Ort überspringen.
Gerade in Partien mit vier Personen führt das zu unangenehmen Abstaubesituationen. Es kann passieren, dass ich direkt vor dem Ort stehe, an dem ich den ersehnten blauen Dschinn einsacke. Ich habe alles vorbereitet, um ihn zu besiegen. Und dann ergibt es sich zufällig, dass irgendwer über andere Spielsteine auch genau dorthin hüpfen kann und mir meine Beute ungeplant wegschnappt.
Ähnliches habe ich auch umgekehrt erlebt: Der Zug eines Mitspielers entschied kurz vor Spielende darüber, ob ich in einer toten Ecke hängenbleibe und nichts Entscheidendes mehr bewirke. Oder ob ich mich doch noch mitten ins Geschehen teleportiere und mir zwei Dschinns auf einmal in den Schoß fallen. Es geschah übrigens Letzteres. Vielen Dank dafür!
DJINN sieht schön aus, hat ein interessantes Thema, ist hochwertig ausgestattet und in vielen Details sehr durchdacht. Doch einen Charakter oder ein Alleinstellungsmerkmal vermag ich nicht zu erkennen. Mir fehlen in dem gleichförmigen Getüftel und Gerechne auch Höhepunkte und Spannung. Außer natürlich, man findet Tüfteln und Rechnen an sich spannend.


*** mäßig

DJINN von Benjamin Schwer für eine:n bis vier Spieler:innen, Hall Games / Pegasus Spiele.

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